© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/11 01. April 2011

Leichtfertige Spielereien um Leben und Tod
Frankreich: Präsident Sarkozy und „sein“ Militäreinsatz in Libyen
Alain de Benoist

Unvorbereitet, schlecht geplant, ausgeführt ohne jede klare Vorstellung ihrer langfristigen strategischen Ziele: Die Militäreinsätze in Libyen waren von Anfang an scharfer Kritik ausgesetzt, und das vollkommen zu Recht. Deutschland steht nicht voll dahinter, Rußland und China lehnen sie ab, die große Mehrheit der arabischen Länder legt eine gleichgültige Haltung an den Tag. Dennoch werden weiterhin Einsätze geflogen – einzig und allein deshalb, weil Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy es so will. Er hat den Kampf gegen den libyschen Diktator Muammar Gaddafi zu seinem ganz persönlichen Mini-Kreuzzug erkoren. Und warum?

Darüber kursieren gegenseitig zwei unterschiedliche Theorien. Die erste lautet, daß Sarkozy auf diese Weise seine auf einen Tiefpunkt gesunkene Popularität bei den Wählern zurückzugewinnen hofft. Anfang März erhielt der französische Staatschef bei Umfragen eine Zustimmungsrate von lediglich 22 Prozent, bei drei Vierteln der Franzosen stößt seine Politik auf Ablehnung. Von einem bewaffneten Konflikt, in dem er als Kriegsherr auftrumpft, verspricht er sich einigen Auftrieb für sein ramponiertes Image.

Die zweite Hypothese besagt, daß der Eifer, mit dem er sich auf die Seite des Widerstands gegen Oberst Gaddafi schlägt, die gelinde gesagt zögerliche Reaktion der französischen Regierung auf die Volksaufstände in Tunesien und Ägypten – gegen zwei Diktatoren, die Frankreich lange Jahre unterstützt hatte – vergessen machen soll.

Egal, welche der beiden Hypothesen am ehesten zutrifft: In jedem Fall ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß Sarkozy das Volk für dümmer hält, als es ist. Die Franzosen, die mehrheitlich gegen den Einsatz ihrer Soldaten in Afghanistan sind, werden ihrem Staatschef für eine neuerliche Verwicklung in einen militärischen Konflikt kaum dankbar sein, erst recht nicht, wenn er sich in die Länge zu ziehen droht. Zudem täte der französische Staatschef besser daran, sich der Probleme im eigenen Land anzunehmen, bevor er sich auf kostspielige Abenteuer „zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung“ einläßt. Unter anderem wären hier zu nennen: die durch die Masseneinwanderung verschuldeten sozialen Verfallserscheinungen, der Anstieg der Arbeitslosigkeit, die sinkende Kaufkraft.

Vermutlich haben die Franzosen auch nicht den großen Staatsempfang vergessen, den Sarkozy Oberst Gaddafi noch im Dezember 2007 bereitete – demselben Mann, den er heute als Tyrannen und „schreckliche Person“ bezeichnet. Wenn Gaddafi tatsächlich untragbar ist, warum hat man ihn so lange getragen? Und warum hat man ihm unbedingt Waffen verkaufen wollen, wenn er nun eine derartige Bedrohung darstellt, daß man ihn zerstören muß?

Wie Kriege anfangen, ist bekannt – wie sie enden, kann man nie wissen – und schon gar nicht, in welchen weiteren Gefahren sie münden. Welchen Zweck verfolgt der Einsatz in Libyen – soll ein „Nationaler Übergangsrat“ unterstützt werden, dessen Zusammensetzung und politische Ausrichtung mit vielen Fragezeichen versehen sind? Soll man den Rebellen zur Machtergreifung verhelfen? Oberst Gaddafi stürzen? Sein Land zweiteilen? Den libyschen Staat nach den Maßgaben der liberalen Globalisierung wiederaufbauen?

Wie kann man überhaupt sicher sein, daß aus dem Lufteinsatz nicht von einem Augenblick zum nächsten eine langfristige Stationierung von Bodentruppen wird? Bislang ist es noch nirgends in der Welt gelungen, eine Diktatur allein durch Luftschläge zu stürzen. Und was wird schließlich, wenn die neue libysche Regierung sich als zu islamistisch oder gar dschihadistisch erweist, oder wenn sie sich weigert, die Flüchtlingsströme in Schach zu halten?

Sarkozy hat sich leichtfertig auf ein Spiel auf Leben und Tod eingelassen, nämlich auf Krieg. Er hat sich wissentlich auf das Risiko eingelassen, sich an die Spitze einer westlichen Koalition zu setzen, die ein arabisches, ein muslimisches Land angreift – ein Unternehmen, das von Anfang an im Verdacht einer „neokolonialen“ Aggression steht. Es gibt noch eine dritte Hypothese, die sein Verhalten vielleicht am ehesten zu erklären vermag: Der französische Präsident – der Gremlin aus dem Elysée-Palast – ist einfach verrückt.

 

Alain de Benoist ist Philosoph, Publizist und Herausgeber der französischen Kulturzeitschrift „Nouvelle École“.

Foto: Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy erwartet den Kronprinzen von Abu Dhabi (Dezember 2010): Kleiner Mann ganz groß

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