© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/11 08. April 2011

Juristen streiten über Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke
Gesetz oder Geschwätz
Bernd-Thomas Ramb

Sagte nicht einst Bundeskanzler Konrad Adenauer: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“? Seine politische Urenkelin hat dies möglicherweise mißverstanden: „Was kümmert mich mein Gesetz von gestern.“ Eben noch wurde die Laufzeitverlängerung für deutsche Atomkraftwerke unter großen verfassungsrechtlichen Geburtswehen auf den Weg gebracht, nun wird zunächst die vorläufige Stillegung der älteren Kraftwerke befohlen und anschließend eine Sicherheitsüberprüfung angeordnet, deren neuformulierte Strenge ein endgültiges Aus unausweichlich machen dürfte.

Der Kraftwerksbetreiber RWE hat es gewagt, diese Vorgehensweise als rechtwidrig einzustufen, und beim Verwaltungsgerichtshof Kassel Klage gegen die Verfügung der Bundesregierung eingereicht. Das hektische Ja-Nein verhindert zweifellos eine längerfristig verläßliche Rechtsgrundlage. Der kurzfristige Kurswechsel der Kanzlerin ist selbstredend Gift für jede unternehmerische Planung und Auslöser von Verlusten in Millionenhöhe. Die Klage des Atomkraftwerksbetreibers richtet sich allein gegen die Praktik des schnellen Rechtswechsels. Die Sinnhaftigkeit der angeordneten Sicherheitsüberprüfung steht dabei nicht im Vordergrund.

Selbstverständlich ist es politisch zulässig, sich angesichts der durch ein Erdbeben mit anschließendem Tsunami in Japan zerstörten Atomkraftwerke nun Gedanken über die Sicherheit deutscher Kernkraftanlagen bei einem Flugzeugabsturz zu machen. Auch ein Meteoriteneinschlag mit anschließendem Vulkan­ausbruch darf befürchtet werden. Dies bedarf aber nicht eines vorangegangenen Erdbebens in Japan. Die Verwaltungsrichter haben nicht dies zu bewerten, sondern vornehmlich die Fristenfrage zu klären: Muß ein Unternehmen durch schlagartige Änderung der Gesetzesgrundlage hohen wirtschaftlichen Schaden ertragen? Oder überspitzt: Wie schnell darf ein wirtschaftsschädliches Gesetz dem populistischen Geschwätz folgen?

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