© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/11 15. April 2011

Verhärtete Fronten
Illegale Einwanderung: Italien fühlt sich von den EU-Partnern alleingelassen / Vor allem Frankreich zeigt sich unnachgiebig
Friedrich-Torsten Müller

Ich frage mich, ob es noch Sinn macht, EU-Mitglied zu sein“, polterte der emotionsgeladene Innenminister Roberto Maroni (Lega Nord) nach der Konferenz der EU-Innenminister. Diese hatten sich ablehnend zu Italiens Visa-Politik gegenüber den illegalen Migranten aus Nordafrika geäußert.

Mit Unterstützung von Malta und Zypern forderte Italien, eine Schutzklausel aus dem Jahr 2001 in Kraft zu setzen, die bei Notständen die Verteilung von politischen Flüchtlingen über die EU-Mitgliedstaaten vorsieht. Alternativ hatte Italiens Ministerpräsident Berlusconi angekündigt, den inzwischen etwa 26.000 Flüchtlingen Touristenvisa auszustellen, mit denen diese ungehindert im Schengen-Raum reisen könnten.

 Dagegen wehrten sich massiv die Regierungen Frankreichs, Deutschlands und Österreichs, die von dieser Ausreiseerlaubnis am stärksten betroffen wären. Kernpunkt der Argumentation vor allem des französischen Innenministers Claude Guéant ist dabei, daß die besagte EU-Richtlinie zur Aufteilung von Flüchtlingen nicht für Wirtschaftsflüchtlinge und nur bei wirklichen Notständen gelte. Darüber hinaus sei es nur statthaft, Touristenvisa auszustellen, wenn gültige Reisepapiere vorlägen und die Begünstigten ausreichende finanzielle Mittel für ihren Aufenthalt (EU-Tagessatz 61 Euro) nachweisen könnten.

 Da man sich in Luxemburg lediglich auf einen verstärkten Einsatz der EU-Grenzschutzagentur Frontex vor der nordafrikanischen Küste und auf die Verteilung von 1.000 libyschen Bürgerkriegsflüchtlingen auf Malta einigen konnte, ist mit dem Andauern des Konflikts zu rechnen. Frankreich, wo unter den 600.000 tunesischstämmigen Einwohnern heute fast jeder Tunesier über Verwandte oder Bekannte als  Anlaufstelle verfügt, hat deshalb bereits begonnen, seine Grenzen zu Italien zu kontrollieren.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozys Furcht, nächstes Jahr Marine Le Pen den Vortritt in der Stichwahl um das Präsidentenamt lassen zu müssen, ist nach dem guten Abschneiden des Front National bei den Kantonalwahlen Ende März stark gestiegen. Wie schon bei der innereuropäischen Affäre um die Abschiebung osteuropäischer Roma zu erkennen war, sieht Sarkozy keine andere Wahl, als dem FN durch Problemlösungen die Themen aus der Hand zu nehmen. Auch beim Treffen Sarkozys mit Berlusconi am 26. April in Rom ist daher mit verhärteten Fronten zu rechnen.

 Unterdessen hofft die EU trotz weiterhin eintreffender Flüchtlingsboote, daß ein am 5. April zwischen Italien und Tunesien geschlossenes Rücknahmeabkommen die Lage entschärft. Ab sofort sollen täglich 60 Personen nach Tunis zurückgeführt werden. Man setzt darauf, daß als Gegenleistung für Wirtschaftshilfen das Kontingent bald noch deutlich erhöht werden kann.

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