© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/11 15. April 2011

Merkwürdige Geburtstagsfeier
„Die Welt“ bejammert das Fehlen der konservativen Intelligenz – und verschweigt ihre konservativen Stammautoren von gestern
Karlheinz Weissmann

Für gewöhnlich wird der 65. Geburtstag nicht besonders gefeiert, es sei denn, jemand möchte den Übertritt in den Ruhestand begehen. Da das im Fall der Tageszeitung Die Welt wohl kaum beabsichtigt ist, steht man vor der Frage, was sich die Springer AG und deren Aufsichtsratsvorsitzender Mathias Döpfner bei der Inszenierung dieses Jubiläums gedacht hatten.

So viel wurde immerhin an der Geburtstags-Sonderausgabe der Welt deutlich, daß Döpfner seine eigene Rolle hervorgehoben wissen möchte, als Retter des einstigen „Kampfblatts“, das unter seiner Ägide endlich schwarze Zahlen schreibt. Es sei ihm das Eigenlob im Leitartikel genauso gegönnt wie der triumphierende Hinweis auf die permanente technische Erneuerung. Aber was sonst dem Rückblick auf die Geschichte einer einmal einflußreichen Zeitung dienen soll, kann man nur jämmerlich nennen.

Reine Geschichtsklitterung ist der Beitrag von Jacques Schuster über die Neugeburt deutscher Zeitungen mittels der Hebammendienste alliierter Presseoffiziere. Und in unangenehmer Weise an seine Auftragsarbeit einer Springer-Biographie fühlt man sich erinnert beim Artikel von Hans-Peter Schwarz über die „Super-Diva“ Axel C.

Bezeichnend ist, daß Michael Stürmer das Fehlen der konservativen Intelligenz bejammern darf, während die einzigen Fälle von Esprit der übergelaufenen Linken zu danken sind (Cora Stephan, Eckhard Fuhr, man glaubt es nicht: Fritz J. Raddatz). Unter den Gratulanten, die über die ganze Ausgabe verteilt mit braven Glückwünschen zu Wort kommen, sind auch manche, die irgendwann auf den Straßen unter roten Fahnen „Enteignet Springer!“ skandiert haben dürften, ansonsten nur Belanglosigkeiten.

Am deprimierendsten sind aber die Leservoten. Wer je mit Welt-Abonnenten zu tun hatte, kennt diesen Typus: Leute, deren Konservatismus vor allem darin besteht, daß sie ihre Gewohnheiten nicht ablegen können. In diesem Fall die Gewohnheit, die Bezugsgebühr für eine Zeitung zu bezahlen, die längst nicht mehr die ihre sein kann, sondern ein mehr oder weniger richtungsloses Sammelsurium bietet.

Rührend ein alter Herr, der wenigstens an Hans Zehrer erinnert. Zehrer war ohne Zweifel einer der bedeutendsten konservativen Journalisten des vergangenen Jahrhunderts und hat wie sonst nur Springer selbst die Geschichte der Welt geprägt. Er sah sich zwar gezwungen, den Traum von einer „deutschen Times“ zu begraben, konnte aber in der Nachkriegszeit eine bürgerliche Publikation von erheblichem Einfluß schaffen.

Daß es dabei nicht nur – wie jetzt behauptet – um deutsch-amerikanische Freundschaft, Westbindung und Aussöhnung mit Israel ging, sondern um zähen Widerstand gegen die linke Kulturrevolution und das Festhalten am Ziel der deutschen Wiedervereinigung, paßt nicht mehr zum neuen Blattdesign. Nirgends findet sich eine Analyse des Furors, mit dem die Springerpresse bekämpft wurde – von ihrer Konkurrenz auf dem Markt und von der APO auf der Straße. Letztere war auch von der DDR ferngesteuert.

Und wenn man schon den Verleger nicht übergehen kann, dann fehlen doch die Namen Enno von Loewenstern oder Matthias Walden, weil man sich der „Kalten Krieger“ schämt, obwohl sie mit ihren Analysen und Prognosen recht behielten, während ihre Gegner, denen sich das Haus Springer heute andient, historisch ins Unrecht gesetzt wurden.

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