© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/11 22. April 2011

Der freundliche Herr Nachbar greift an
CSU: Der neue Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat dem Amt in kürzester Zeit seinen Stempel aufgedrückt
Paul Rosen

Gleich in den ersten Tagen seiner Amtszeit hat sich Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) dauerhaft gegen die politische Korrektheit positioniert. Seine erste Äußerung betraf den Islam, der nach Ansicht des Innenministers „historisch gesehen“ nicht zu Deutschland gehört. Vor einigen Jahrzehnten hätte so ein Satz zu den verbalen Allgemeinplätzen gehört, wie etwa die Behauptung, nachts sei es dunkel. Heute, da selbst Bundespräsident Christian Wulff dem Islam bescheinigt, zu Deutschland zu gehören, braucht es Mut zu dieser Position.

Von seiner Herkunft her weiß der 54 Jahre alte Friedrich, wie man Positionen setzt und Kampagnen steuert. Er ging bei einem der CSU-Altmeister, dem langjährigen Landesgruppenvorsitzenden Michael Glos, in die „Schule“. Als Mitarbeiter in dessen Bundestagsbüro erlebte er mit, wie Glos gegen politische Gegner mit verbalen Spitzen oder auch mit den Mitteln der Polemik zu Felde zog. Diese Lektionen hat Friedrich, der in der vierten Wahlperiode den nordbayerischen Bundestagswahlkreis Hof vertritt, gut gelernt. Vom Wesen und Auftreten ist er das Gegenteil des als Hochstapler enttarnten Karl-Theodor zu Guttenberg: Ist Guttenberg schrill, aber unverbindlich aufgetreten, so wirkt Friedrich wie der stets freundliche und gut informierte Nachbar, von dem man viel Gutes, aber nie etwas Böses erwarten würde.

Der dreifache Familienvater gehört als Oberfranke zur protestantischen Minderheit der CSU, in der er fest verwurzelt ist, aber in einem Jahrzehnt als Bundestagsabgeordneter nicht groß aufgefallen war. Die Gunst der Stunde ergriff Friedrich, als Landesgruppenchef Peter Ramsauer nach der Bundestagswahl 2009 in das Verkehrsressort wechselte. Friedrich gelang der Schritt an die Spitze der CSU-Landesgruppe, wo schnell zu bemerken war, daß er eigenständige Positionen vertritt – notfalls sogar öffentlich gegen den eigenen Parteichef Horst Seehofer oder auch gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Die Landesgruppe führte er souverän, auch wenn seine Kraft in der Koalition nicht reichen konnte, Union und FDP von allen Irrwegen abzuhalten. Als Guttenberg fiel, wollte Friedrich nicht Verteidigungsminister werden. Er wußte, daß das Ressort schlecht geführt und die neuerliche Reform der Bundeswehr ohne zusätzliche Finanzmittel nicht möglich war. Da auch der CSU-Führung klar war, daß sie mit der Verteidigung keinen Blumentopf gewinnen konnte, gelang es, Merkel zu überreden, ihre „Allzweckwaffe“ Thomas de Maiziere in den Bendlerblock zu schicken und der CSU das Innenministerium zu überlassen.

„Die Tage des trotzigen Auftretens sind nun hoffentlich vorbei“, schrieb die Süddeutsche Zeitung nach den ersten provokativen Äußerungen des Innenministers und befand sich damit über die Person Friedrich im Irrtum. Der drehte als nächstes die Islamkonferenz um, die von Vorvorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) als Ausdruck der Integrationsverbundenheit seines Hauses und seiner Partei erfunden worden war. Für Friedrich ging es um weit mehr als den TV-üblichen Dialog mit den Muslimen: „Deshalb habe ich dort vorgeschlagen, eine Sicherheitspartnerschaft mit den Muslimverbänden zu begründen und werde zu einem Präventionsgipfel einladen.“

Das waren neue Töne in der Integrationsdebatte, die sich bisher auf die Feststellung von Sachverhalten beschränkte, bei denen Ausländer zu Schaden kamen. Jetzt fragte einer nach Gewalt durch Moslems und nach Prävention. Prompt unterstellte Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Friedrich, das Thema Islam wieder einmal mit dem Thema Islamismus zu vermischen: „Das ist Stigmatisierung.“

Friedrich formuliert seine Haltung so: „Recht, Gesetz und Ordnung sind Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft – dafür stehe ich als Minister.“ Daraus leiteten etliche Medien gleich die These ab, Gegenspieler im Bundeskabinett würden jetzt der Hardline-Innenminister und die auf Bürgerrechte bedachte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Als Beweis wurde ein Streit um die Vorratsdatenspeicherung und seine harte Haltung gegen die Aufnahme von Wirtschaftsflüchtlingen aus Nordafrika angeführt.

Doch der aus der Kohl-Ära importierte Gegensatz zwischen Innenminister und FDP-Justizministerin taugt nicht für die heutige Zeit. Friedrich ist ein moderner Konservativer, während Leutheusser-Schnarrenberger ein Auslaufmodell aus westdeutschen Überflußzeiten ist, das dem Ende der politischen Karriere entgegensieht.

Foto: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich: Der CSU-Politiker erweist sich in seinem neuen Amt als angriffslustiger moderner Konservativer

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