© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/11 22. April 2011

Manipulation des Geldes
Wirtschaftsliteratur: Philipp Bagus analysiert „Die Tragödie des Euro“ / Ein Projekt gegen die „Tyrannei“ der Deutschen Bundesbank
Marco Meng

Zuerst Griechenland, dann Irland, nun Portugal. Auch über Spanien, Italien und inzwischen sogar Belgien (JF 16/11) wird spekuliert, ob diese Euro-Länder ihren Schuldendienst und ihre Zinszahlungen weiter zu bezahlbaren Konditionen decken können – oder ob auch sie unter den Euro-Rettungsmechanismus flüchten müssen.

Wann wird angesichts dessen die Europäische Währungsunion (EWU) dem Druck nicht mehr standhalten können und auseinanderbrechen? Warum ist die Eurozone überhaupt in solch einer Situation? Oder war der Euro von Anfang an zum Scheitern verurteilt? Philipp Bagus’ Buch über „Die Tragödie des Euro“ (es liegt bislang leider nur auf englisch vor) zeigt, wie Geld (fiat money) aus nichts geschaffen wird und perverse Anreize die Regierungen zur eigenen finanziellen Zerstörung führen, da Länder, die seriös haushalten, gezwungen werden, die Schulden der anderen zu kaufen.

Bagus beschreibt die politischen Interessen, die hinter dem Euro-Projekt stehen. Die Einheitswährung diente dazu, die Deutsche Bundesbank und die D-Mark loszuwerden. Die Frankfurter Zentralbank hatte die europäische Geldmengenpolitik seit Jahrzehnten diszipliniert. Darum wurde die Bundesbank (genannt die „Deutsche Atombombe“) speziell von jenen europäischen Politikern, die ihre stets neuen Schulden mit Inflation „ausglichen“, gehaßt.

„Das Projekt Euro ist ein Mittel europäischer Sozialdemokraten gewesen, ihren Traum eines mitteleuropäischen Staates zu errichten“, schreibt Bagus. „Die Geschichte ist eine Intrige von wirtschaftlichen und politischen Interessen“, so der Professor für Volkswirtschaft an der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid. Detailliert beleuchtet der Autor dabei die Hintergründe, wie die französische Regierung für ihre Zustimmung zur Wiedervereinigung als Opfer von Deutschland die hoch geschätzte D-Mark forderte, und macht dem Laien verständlich, wie das internationale Bankensystem funktioniert. Seinen Analysen zufolge zeigt die Tragödie des Euro lehrreich die Undurchführbarkeit des gegenwärtigen europäischen Geldsystems.

Das Buch beginnt – auf Basis der Österreichischen Schule der Nationalökonomie und immer zugleich mit einer umfangreichen Bibliographie ausgestattet – mit einer grundlegenden Darstellung der Geldtheorie. Es zeigt, wie der Euro zustande kam, und es befaßt sich damit, wie die Europäische Zentralbank (EZB) in der Praxis funktioniert. Bagus zeigt, wie es von der 1951 gegründeten Montanunion (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl/EGKS) zu einer dauerhaften europäischen Bürokratie kam, in der bestimmte „Klassen“ sich ihre Privilegien sichern und weiter ausbauen.

Nach dem Zusammenbruch des goldabhängigen Geldsystems von Bretton Woods „hatten die Regierungen schließlich Geld, dessen Menge keinerlei Beschränkungen mehr hatte, und Defizite konnten nun von den Zentralbanken finanziert werden“, so Bagus. „Die Manipulation der Menge des Geldes hat nur ein Ziel: die Finanzierung von Regierungsschulden. Es gibt keinen anderen Grund, die Menge des Geldes zu manipulieren.“

Darum sei es nicht überraschend, daß manch eine EG-Regierung und Zentralbank der „Tyrannei“ der Bundesbank entkommen wollte, schließlich sorgte die D-Mark für Geldwertstabilität – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. „Wenn Europäer Geldstabilität und eine Einheitswährung in Europa gewollt hätten, hätte man gerade die Deutsche Mark in allen anderen Ländern einführen können“, argumentiert Bagus.

Doch man wollte eine gesamteuropäische Zentralbank, die die Regierungsschulden finanzieren würde. Die heutige Transferunion führt dabei zur Ausplünderung der einen durch die anderen, bis die Inflation ein Niveau erreicht, das unhaltbar sein wird – oder bis sich der nordische Euro-Block weigert, länger daran teilzunehmen, und sich von der EWU und vielleicht sogar von der EU selbst trennt. Das Hauptproblem des Eurosystems besteht für Bagus darin, daß Banken Staatsobligationen kaufen und diese als Kaution für von der EZB gewährte Darlehen verwenden: mit anderen Worten, man schafft neues Geld in Form von Darlehen.

Bagus fragt sich, wie es sein kann, daß derlei Ungleichheiten existieren und durch das Eurosystem auch noch finanziert werden: Griechische Arbeitnehmer erhielten beispielsweise bislang bis zu 80 Prozent ihres Lohnes als Rente, während deutsche in der Regel 46 Prozent erhalten. Griechische Rentner erhielten dabei 14 Monatsrenten, deutsche nur zwölf. Wobei der deutsche Arbeitnehmer faktisch für beides bezahlen muß, da der griechische Staat ohne Kreditaufnahme zur Zahlung seiner üppigen Renten nicht in der Lage ist. Die Einführung des Euro hatte also nichts mit dem Ideal von Freiheit und Frieden zu tun. Im Gegenteil: Der Euro war nicht notwendig (bis 1999 hat die EU auch ohne Euro funktioniert), sondern die EWU erzeugt tatsächlich sogar mehr und neue Konflikte. Der Euro spaltet Europa.

Vielleicht überzeichnet der Autor in seinem Buch etwas mit seinen Visionen von „Konservativen“ und „Sozialisten“ und läßt daher die EU und den Euro ein wenig wie eine Verschwörung von bestimmten Cliquen anmuten. Möglicherweise sind es auch nur schlichte Geld- und Machtgier, Naivität, Dummheit und Unfähigkeit, die sowohl die Institution EU zu einer Superbürokratie und den Euro zu einer Wertvernichtungsmaschinerie machen.

Philipp Bagus: The Tragedy of the Euro. Ludwig von Mises Institute, Auburn 2010, 142 Seiten, broschiert, 14 Dollar

Foto: Die Tragödie des Euro: Eine europäische Transferunion führt zur Ausplünderung der Überschußländer

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