© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/11 29. April 2011

Grüße aus Bozen
Wilson ließ sich blenden
Hans Gernheim

Ostermünchen“ wurde Bozen im ausgehenden 19. Jahrhundert genannt, als sich die feine Münchner Gesellschaft um Ostern in der Südtiroler Talferstadt ein Stelldichein gab. Gegen diese Bezeichnung hatte und hat wohl niemand etwas einzuwenden – andere Ortsnamen hingegen erhitzen derzeit die Gemüter zwischen Salurn und Brennerpaß.

Ettore Tolomei, ein notorischer Deutschenhasser, erfand zwischen 1909 und 1923 Tausende von italienischen Namen für geographische Bezeichnungen südlich des Brenners. Als „wissenschaftliche Arbeit“ ausgegeben, dienten die zum Teil lachhaften Verballhornungen historisch gewachsener deutscher Orts- und Flurnamen dazu, einen italienischen Kulturkreis vorzugaukeln, den es in Südtirol nie gab. Angeblich ließ sich selbst der US-amerikanische Präsident Woodrow Wilson im Jahr 1919 dadurch blenden, als Südtirol entgegen dem postulierten Selbstbestimmungsrecht der Völker dem Staat Italien zugesprochen wurde.

Diese 1923 per Dekret eingeführten Fantasienamen sind bis heute die einzig offiziellen Bezeichnungen: Bozen, Meran, Kaltern oder das Pustertal heißen amtlich „Bolzano, Merano, Caldaro, Val Pusteria“, wobei die historische deutsche Bezeichnung nur geduldet wird. Diesem Umstand ein Ende zu machen, ist ein erstrangiges Anliegen der heimatbewußten Südtiroler. Am weitesten vorgewagt hat sich dabei der Alpenverein Südtirol. Mit der Beschilderung der Wanderwege beauftragt, schufen die Mitglieder des Alpenvereins Tatsachen, und bis zum Sommer 2010 wurden auf den Südtiroler Wanderwegen Tausende Wegweiser aufgestellt, die allein die deutschen und ladinischen Ortsnamen trugen.

Italiens Presse reagierte mit Empörung, der Regionenminister Raffaele Fitto drohte, die Armee mit der Entfernung der einsprachig deutschen Wegweiser zu beauftragen, und alles endete schließlich mit einer Arbeitsgruppe, die einen Kompromiß auszuhandeln hatte.

Dieser wurde nun vorgestellt und enthält zur allgemeinen Freude der Italiener beinahe alle erfundenen italienischen Ortsnamen. Grund dafür ist das fehlende Ortsnamengesetz, das seit bald dreißig Jahren an der Obstruktion der italienischen Parteien im Südtiroler Landtag scheitert. Daran wird sich auch so bald nichts ändern – und Bozen muß amtlich weiter „Bolzano“ heißen. n www.alpenverein.it

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen