© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/11 29. April 2011

Haltungsnote
Satiriker gegen den Strom
Christian Schwiesselmann

Seit Tucholsky steht die Satire links – damals wohl zu Recht, weil sie nach Definition des Altmeisters immer „die große, bunte Landsknechtstrommel“ gegen die realen Herrschaftsverhältnisse schlagen muß. Die Bißlosigkeit heutiger Satiriker, die sich in Hitler-Parodien und Merkel-Witzchen ergehen, ist ein starkes Indiz dafür, daß sich die Linke hierzulande zu Tode gesiegt hat.

Wie Satire gegen den Strom aussehen könnte, zeigt der Eidgenosse Andreas Thiel, der im deutschsprachigen Raum als Ausnahmeerscheinung gelten darf: Der EU-Gegner scheut sich nicht vor Auftritten bei der Schweizerischen Volkspartei. Er lästert über Juden, Muslime und Atheisten gleichermaßen. „Mainstream interessiert mich nicht“, sagt Thiel, dessen Texte im Schweizer Rundfunk zensiert wurden, wenn sie sich gegen Alt-68er oder Ariel Scharon richteten. Aus diesem Grunde ziehe er auch nicht über Blocher her.

Wider den Stachel löckte der gelernte Bauzeichner und Schauspieler kürzlich im Interview mit der Basler Zeitung, als er den rechten Humor adelte. Interessanterweise würden die Rechten mehr Selbstironie an den Tag legen, weil sie es wahrscheinlich gewohnt seien, „mehr aufs Dach zu bekommen“. Hingegen könne man die Linken schneller schockieren, da es für sie eine neue Erfahrung sei, daß man sich über sie lustig mache – denn sie sähen sich ja selbst als die Guten.

Der gebürtige Berner weiß aber, daß der Kulturkuchen von links gebacken und verteilt wird. Seine Abneigung gegen Subventionen für Künstler schützt den 40jährigen nicht nur vor dem Schweizer Fernsehen, sondern auch vor staatlicher Vereinnahmung. Wenn Thiel nicht gerade seine regelmäßige Kolumne in der Weltwoche füllt, kann man seine Wortakrobatik auf den besten Kabarettbühnen bestaunen. www.andreasthiel.ch

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