© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/11 06. Mai 2011

Ende einer unendlichen Geschichte
Kärnten: Lösung im Ortstafelstreit wird als historischer Kompromiß gefeiert / Freiheitliche setzen Volksbefragung durch
Carl Gustav Ströhm jr.

Die Erleichterung war groß, als  der Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler von den Freiheitlichen in Kärnten (FPK) vergangene Woche nach achtstündigen Verhandlungen mit den Vertretern der verschiedenen Gemeinden und der slowenischen Minderheitsvertretung in Kärnten verkündete, daß der Ortstafelstreit in seinen Bundesland nun endlich der Geschichte angehöre. Ortschaften in denen der Anteil der slowenischen Minderheit bei mindestens 17,5 Prozent liegt, sollen zweisprachige Ortstafeln erhalten. Insgesamt würde dies auf 164 Ortschaften im südlichen Kärnten, vor allem im Raum südlich von Klagenfurt zutreffen.

Entsprechend werden Kärntner Ortschaften, die bis dato nur ihren deutschen Ortsnamen führten, so wie Bleiburg, Unterort oder Winkel, zukünftig auch die slowenische Bezeichnung erhalten, wie Pliberk, Podkraj oder Kot. Eine weitere Einigung zwischen den Vertretern der slowenischen Volksgruppe mit deren Sprecher Valentin Inzko und der Kärntner Landesregierung gab es auch in anderen Fragen.

So werden mehr Ortschaften als bisher Slowenisch als Amtssprache einführen, vor allem in den Ortschaften um St. Kanzian (südöstliches Kärnten) und Eberndorf (südöstlich von Klagenfurt), in denen auch zweisprachige Ortstafeln vorgesehen sind. Weiter soll im Volksgruppenbüro ein sogenanntes „Dialogforum“ eingerichtet werden, um Probleme, die es mit der slowenischen Minderheit gibt, zu lösen.

Obwohl man sich in der Sache der Kärntner Ortstafeln nach außen hin lösungsfreudig zeigte, hat man die Rechnung ohne die deutschsprachigen Kärntner in den betroffenen Ortschaften gemacht. Vor allem in den vorher erwähnten Ortschaften St. Kanzian und Eberndorf, welche schon immer gegen zweisprachige Ortstafeln opponiert haben, gibt es bereits mehrheitliche Gemeinderatsbeschlüsse gegen die Aufstellung solcher Ortstafeln. Auch die Einführung der slowenischen Sprache als Amtssprache will man hier nicht ohne weiteres hinnehmen.

Der Bürgermeister von St. Kanzian, Thomas Krainz, seines Zeichens der Sozialdemokratischen Partei Österreichs zugehörig, kritisiert den Entschluß des Kärntner Landeshauptmannes Dörfler den er mit den slowenischen Volksgruppenvertretern eingegangen ist. Dörfler habe sich „gründlich über den Tisch ziehen lassen“, so Krainz. Auch der Kärntner Abwehrkämpferbund lehnt die Ortstafeleinigung als „nicht nachvollziehbar“ ab. 

Eine Volksbefragung soll nun Mitte Juni in ganz Kärnten stattfinden, um zu prüfen, ob die heimatbewußten Kärntner mit dieser Einigung zufrieden sind.Doch während sich Dörfler optimistisch zeigt und von einer überwältigenden Mehrheit für den Ortstafelkompromiß ausgeht, stehen die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP) und vor allem die Sozialdemokraten (SPÖ) einer Volksbefragung kritisch gegenüber. Sie werten es eher als Ablenkungsmanöver der Freiheitlichen und beklagen die Kosten der Aktion.

Anders die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ). Sie hatte ihre Zustimmung zum Paket mit der Abhaltung einer Volksbefragung verknüpft. Die Slowenen akzeptierten dies zähneknirschend, und so begrüßte FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache die Einigung und gratulierte den Kärntner Freiheitlichen, die ihm zufolge „ein sehr gutes Ergebnis erzielt“ hätten. Parallel forderte Strache die österreichische Bundesregierung jedoch erneut auf, sich mehr für die deutschsprachige Minderheit in Slowenien einzusetzen, da die slowenische Regierung hier nicht einmal die Mindestbedingungen erfülle und sich dem Thema der deutschsprachigen Minderheit völlig verschließe.

Der Ortstafelstreit, der sechsundfünfzig Jahre andauerte und ein Erbe des Kärntner Abwehrkampfes von 1918 bis 1920 darstellt, scheint beigelegt. Von der Gründung der zweiten österreichischen Republik 1945 bis hin zum Ortstafelsturm im Jahr 1972 schien dieses Kapitel in der neueren österreichischen Geschichte (JF 4/06) niemals enden zu wollen.

Die Volksbefragung scheint das geringste Problem des Kärntner Landeshauptmanns zu sein. Es liegt nicht nur an den slowenischen Volksvertretern, die diesen „historischen“ Kompromiß mit ihren Ortsgruppen noch besprechen müssen, sondern auch am Willen der  Kärtner Bevölkerung, ihn anzunehmen.

Kärnten scheint bis dato seinen Teil erfüllt zu haben, ob die slowenische Regierung bezüglich der deutschen Minderheit auch zu solchen Zugeständnissen bereit wäre, ist jedoch zu bezweifeln.

Foto: Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK; M.), Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ; 2.v.r.) sowie die Slowenen-Vertreter Valentin Inzko (2.v.l.), Marjan Sturm (l.) sowie Bernard Sadovnik (r.): Erleichterung über den Kompromiß im Spiegelsaal der Kärntner Landesregierung

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