© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/11 06. Mai 2011

Hauptsache, es sieht nicht aus wie ein „puritanisches Kontrollregime“
Interkulturelle Rezepte des Multikulti-Apologeten Georg Auernheimer zur letzten Erschütterung deutscher Selbstgewißheiten
Lennart Neumann

Nicht weit vom schönen Chiemsee, im oberbayerischen Traunstein, wo die Grundstückspreise ähnlich wie auf Sylt oder in Hamburg-Blankenese die Entwicklung des Gemeinwesens zur „bunten Republik“ bislang nachhaltig verhinderten, hat Georg Auernheimer seinen behaglichen Ruhesitz bezogen. Eine Wahl, die überrascht. Zählt der emeritierte Kölner Erziehungswissenschaftler und Verfasser einer in fünf Auflagen verbreiteten „Einführung in die Interkulturelle Pädagogik“ doch zur Prominenz in der Heerschar akademischer Einpauker des Multikulturalismus.

Aus dem Idyll der beinahe kulturell homogenen Gesellschaft Traunsteins, laut Auernheimer eine „Fiktion“, eröffnet der Pädagoge in seiner jüngsten programmatischen Veröffentlichung noch einmal unbekümmert die ultimative „Perspektive einer multikulturellen Gesellschaft“ für Unterricht und Erziehung in allen Bildungsagenturen (Erwägen-Wissen-Ethik, 2/2010).

Auf wenigen Seiten werden dabei die Leitmotive für die umfassendste Charakterwäsche, den radikalsten Bewußtseinswandel entfaltet, den die Annalen der deutschen Geschichte verzeichnen. Von „konkurrierenden Konzepten“ wie der „antirassistischen Erziehung“, Gender Mainstreaming oder dem gegen „Normalitätsmuster“ gerichteten „Diversity-Ansatz“ begleitet, will „Interkulturelle Pädagogik“ helfen, das Bewußtsein für soziale Ungleichheit zwischen Deutschen und Migranten zu schärfen. So soll einer politischen Praxis vorgearbeitet werden, die den „zugewanderten Minderheiten“ den gleichen Zugang zum Arbeitsmarkt, zur Bildung, überhaupt allumfassende „Chancengleichheit“ garantiert. Diese Pädagogik soll, indem sie über „strukturelle Ungleichheit und diskriminierende Praktiken“ aufklärt, Politik „in Unruhe versetzen“. Man integriere in dieses Bildungsziel auch den Ansatz Wilhelm Heitmeyers, dem es bereits 1987 höchst effektiv gelang, jede Negation des Migrationismus als „Ideologie der Ungleichheit“ und damit als „Rechtsextremismus“ zu stigmatisieren.

Um es einer möglichst großen Zahl von angeblich nur „Arbeit und Wohlstand suchenden Zuwanderern“ zu ermöglichen, ohne „Assimilationszwang“ in Deutschland ihr „Menschenrecht auf Selbstverwirklichung“ wahrzunehmen, muß unser leider noch halbwegs intaktes „System des machtvollen Unterscheidens“ weiter gründlich „dekonstruiert“ werden. Hauptangriffsziele der interkulturellen Bildung sollen hierbei die „Normalitätskonstrukte“ Familie und Nation sein. Sie sind, wie es in Auernheimers Gewaltrhetorik heißt, „aufzubrechen“, die von ihnen vermittelten Identitäten, die „Selbstgewißheiten“ seien „zu erschüttern“. Allerdings sei Vorsicht geboten. Denn den Realitätsgehalt dieser Konstrukte, die „nicht durchweg Produkte unserer Fantasie“ seien, dürfe man nicht leichtfertig bestreiten, sonst könne der multikulturelle Doktrinär „beim Kampf gegen Vorurteile leicht in Verlegenheit gebracht werden“.

Überhaupt dürfe, so der 72jährige Altlinke im Stasi-Jargon, der auf „Wachsamkeit“ eingeschworene pädagogische Alltag nie den Anschein eines „puritanischen Kontrollregimes“ erwecken. Wohl in der berechtigten Sorge, die totalitäre Struktur seines hybriden Umerziehungsprojekts könnte allzu offenkundig ans Licht kommen und Widerstände provozieren. Die er außer von den Einheimischen sogar von den „zugewanderten Minderheiten“ erwartet. Denn auch die hätten Probleme, den Primat der universalistischen Menschenrechtsgesellschaft zu akzeptieren. Trotzdem ginge es nicht an, wenn „zum Beispiel Wortführer einer religiösen Minderheit, deren Normsystem Homosexualität tabuisiert“, wie Auernheimer so sensibel wie feige die islamistische Agitation umschreibt, Lesben und Schwule diskriminierten. So etwas untergrabe die Basis für das multikulturelle „Gesellschaftsprojekt“.

 http://www.uni-paderborn.de 

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