© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/11 13. Mai 2011

Spätfolgen der Finanzkrise
Finanzbranche: Milliarden-Gewinne und Milliarden-Klagen bei der Deutschen Bank / Wetten mit Staatsgarantie
Marco Meng

Oberflächlich betrachtet ist für die Deutsche Bank in den vergangenen Jahren alles bestens gelaufen – sie ist die einzige Überlebende aus der „Deutschland AG“ der alten Bundesrepublik: Die Dresdner Bank wurde 2001 von der Allianz übernommen und 2009 an die Commerzbank weitergereicht. Die Finanzkrise und diese Übernahme haben die Commerzbank in Not und 2009 unter die Fittiche des deutschen Staates flüchten lassen. Für eine 18,2 Milliarden Euro teure und weit über dem Marktwert liegende Kapitalspritze wurde der Bund mit 25 Prozent plus einer Aktie größter Einzelaktionär.

Der ehemals viertgrößte Konkurrent, die HypoVereinsbank, ist schon seit 2005 eine Tochter der Mailänder UniCredit Bank. Mit der mehrheitlichen Übernahme der privatisierten Postbank wurden der Deutschen Bank zusätzliche 14,1 Millionen Kunden zugeführt. Während die deutsche Konkurrenz am Boden liegt, vermeldet die Deutsche Bank im ersten Quartal dieses Jahres einen Vorsteuergewinn von drei Milliarden Euro – acht Prozent mehr als ein Jahr zuvor. „Wir sind zuversichtlich, daß wir unser ehrgeiziges Gewinnziel für 2011 von zehn Milliarden Euro vor Steuern in unseren operativen Geschäftsbereichen erreichen werden“, versprach Vorstands-chef Josef Ackermann. Daß sich der Aktienkurs seit 2007 mehr als halbiert hat, steht auf einem anderen Blatt.

Gleichzeitig hat die Deutsche Bank momentan aber eine Menge Ärger mit Kunden und Behörden in verschiedenen Ländern. Vor wenigen Wochen wurden zwei ihrer Händler in Hongkong wegen des Vorwurfs der Bestechung festgenommen. Im Februar hatten die Bankenregulierer in Südkorea das Institut wegen Manipulationsvorwürfen im Derivatehandel für sechs Monate von der Börse ausgeschlossen. In London haben Investoren die Deutsche Bank wegen der Verletzung von Verpflichtungen bei Wertpapiergeschäften verklagt. Und in Deutschland verurteilte der Bundesgerichtshof das Kreditinstitut zur Zahlung von 500.000 Euro Schadenersatz an ein Unternehmen wegen Zinswetten.

Weit bedrohlicher dürfte aber diese neue Klage sein: Die US-Regierung fordert von der Deutschen Bank wegen falscher Angaben zu Hypothekenkrediten Schadenersatz von mehr als einer Milliarde Dollar. Im Zentrum der Vorwürfe stehen Hypothekenkredite im Volumen von fünf Milliarden Dollar, die die Deutsche-Bank-Tochter Mortgage IT in ein staatliches Förderprogramm eingereicht hatte. Mortgage IT – 2007 von der Deutschen Bank übernommen, um das aufgeheizte Geschäft mit der Verbriefung von Hypothekenkrediten zu forcieren – vergab Hypothekenkredite, verbriefte und verkaufte sie weiter.

Dabei nahm das Unternehmen an einem US-Regierungsprogramm teil, durch das es Kredite mit Staatsgarantien vergeben konnte. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt die Bank nun, die staatliche Wohnungsbehörde FHA über die Qualität von Hypotheken angelogen zu haben, um an die günstige Kreditversicherung der FHA zu kommen. Erst durch das Qualitätssiegel der FHA hatten die Ramschhypotheken (Subprime) überhaupt eine Chance, verbrieft und weiterverkauft zu werden.

Wie der Untersuchungsausschuß des US-Senats schon im April in seinem Bericht zur Finanzkrise feststellte, war die Deutsche Bank eine der wichtigsten Adressen in der Begebung von Hypothekenanleihen. Diese mit Immobilienkrediten besicherten Wertpapiere waren Hauptauslöser der Finanzkrise 2008, weil sie die Kreditausfälle amerikanischer Schuldner auf die Bankbilanzen in der ganzen Welt übertrugen. Das Prekäre in diesem Fall: Die US-Tochter der Deutschen Bank verkaufte „toxische“ Papiere und wettete gleichzeitig auf deren Verfall. Sie habe bereits im Vorfeld erkannt, daß diese Papiere in Kürze wertlos sein würden, so die Vermutung. Trotzdem hatte sie diese Kreditderivate im Wert von rund 700 Millionen Euro verkauft.

Der Kongreß-Bericht zur Untersuchung der Finanzkrise (FCIC) ist 650 Seiten stark – allein 46 davon sind der Deutschen Bank gewidmet (JF 6/11). 2007 hielt demnach die Deutsche Bank Hypotheken-Finanzprodukte im Marktwert von mehr als 25 Milliarden Dollar. Nach dem FCIC-Report soll die Deutsche Bank wissentlich problematische Hypotheken zu verbrieften Schuldpapieren, sogenannten Collateralized Debt Obligations (CDOs), gebündelt und an Investoren verkauft haben.

Greg Lippmann arbeitete damals für die Deutsche Bank in New York als deren wichtigster CDO-Händler. In interner elektronischer Post, die der Senatsausschuß auswertete, nannte Lippmann die Bank eine „CDO-Maschine“ und bezeichnete die Hypothekenpapiere als Schneeballsystem. Als der Ausschuß den Händler, der inzwischen die Deutsche Bank verlassen hat, dazu befragte, sagte er aus, diese Beschreibungen hätten lediglich seine eigene negative Meinung über den Markt wiedergegeben.

Man erinnert sich an Deutsche Bank-Chef Ackermanns Aussage, er würde sich schämen, wenn er staatliche Hilfe in Anspruch nehmen müßte, womit er seinem Haus den Anschein gab, nur wenig von der Finanzkrise berührt zu sein. Und: „Deutschland soll stolz auf eine Bank sein, die selbst in der Finanzkrise Gewinne schreibt“, meinte Ackermann in einem ZDF-Interview 2008. Daß das nicht stimmte, wußte man bald darauf: Die Verluste der Deutschen Bank am US-Immobilienmarkt und in der Finanzkrise beliefen sich immerhin auf mehrere Milliarden Euro.

Der amerikanische Finanzminister Timothy Geithner zahlte 2009 der Deutschen Bank 8,5 Milliarden Dollar aus: Geld von Kreditausfallderivaten (CDS), die der vom Staat aufgefangene Versicherer AIG der Bank verkauft hatte. Auch in Deutschland wurden indirekt Vermögenswerte der Deutschen Bank oder der Allianz durch den Steuerzahler gerettet, etwa durch die Notverstaatlichung der Immobilienbank HRE und die Stützung Griechenlands und anderer Euro-Pleitekandidaten.

Die Auswirkungen der US-Regierungsklage sind noch offen. Sie könnten auch auf die Diskussion über den Nachfolger von Ackermann Einfluß haben, der 2013 zurücktreten wird. Der Chef der Investmentsparte der Deutschen Bank, Anshu Jain, galt lange Zeit als Nachfolger. Der gebürtige Inder – mit knapp zwölf Millionen Euro 2010 der am besten verdienende Vorstand der Deutschen Bank – kam 1995 nach Frankfurt und war davor Managing Director bei Merrill Lynch in New York, zuständig für Hedgefonds.

Die Übernahme von Mortgage IT hatte er seinerzeit wegen der guten Ertragsaussichten am amerikanischen Immobilienmarkt begrüßt: „Das MortgageIT-Team hat ein äußerst erfolgreiches Geschäft aufgebaut. Wir sind froh darüber, daß wir nunmehr gemeinsam unsere Plattform für Immobilienkreditverbriefungen in den USA und weltweit weiter ausbauen werden.“

Foto: Chef Ackermann und Kurs der Deutsche Bank: Wer Anfang 2007 in Frankfurter Bankaktien investierte, hat heute mehr als die Hälfte seines Geldes verloren. Wer zur selben Zeit Autoaktien von Volkswagen oder BMW kaufte, kann heute Kursgewinne von 25 bis 50 Prozent realisieren

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