© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/11 13. Mai 2011

Lockerungsübungen
Übermaß an Freizeit
Karl Heinzen

Mehr als jede vierte erwerbstätige Mutter mit minderjährigen Kindern ist auch am Sonntag beruflich engagiert, die Hälfte von ihnen sogar regelmäßig. Von den Vätern mit Nachwuchs unter 18 Jahren muß jeder dritte auf Wochenendfreizeit an diesem Tag verzichten, allerdings ist dies in den meisten Fällen nur hin und wieder erforderlich. Sowohl bei Müttern als auch bei Vätern hat die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen dabei in den vergangenen 15 Jahren um knapp fünf Prozent zugenommen. Dieser Anstieg muß enttäuschen, wenn man sich vor Augen führt, welchen Paradigmenwechsel die Arbeitswelt in diesem Zeitraum angeblich vollzogen hat. Die Flexibilisierung scheint um die Wochenenden weiterhin einen großen Bogen zu machen. Der gesellschaftliche Zwang, daß man bestimmte, vorgegebene Tage gefälligst der Freizeit zu widmen hat, scheint ungebrochen.

Eine Wirtschaft, die alle Kräfte mobilisieren muß, um Wachstums-potentiale zu erschließen, kann derartige Fesseln jedoch nicht hinnehmen. Es ist sicher richtig, daß Beschäftigte immer wieder Ruhephasen benötigen, um zu regenerieren. Dieses Bedürfnis stellt sich jedoch in der Regel nicht punktgenau am Freitag nachmittag ein, um am Montag darauf befriedigt zu sein. Der Übergang zu einer 7-Tage-Woche mit individuell und flexibel terminierten freien Tagen würde zudem die an Wochenenden ruhenden wirtschaftlichen Prozesse beschleunigen, hierzu ist jedoch auch ein Umdenken der Führungskräfte erforderlich, die nicht selten selber auf eigenen Freizeitansprüchen beharren. Generell ist zu fragen, ob Arbeitnehmern wirklich 130 arbeitsfreie Tage pro Jahr eingeräumt werden müssen, verführt doch ein Übermaß an Freizeit nur zu oft dazu, sich in dieser derart zu verausgaben, daß die Leistungskraft im Beruf Schaden nimmt.

Auch wenn die Sonntagsarbeit von Müttern und Vätern noch die Ausnahme ist, so stellt das bereits Erreichte immerhin unter Beweis, daß es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gar nicht so schlecht bestellt ist. Ein Quantensprung wäre hier zu erwarten, wenn Betreuungsangebote für Kinder auch an Wochenenden zur Verfügung stünden. Dies würde nicht allein Eltern und Unternehmen entlasten. Wären Schulen und Kindergärten auch an Wochenenden ganztägig geöffnet, ließe sich über eine weitere Verkürzung der Ausbildungszeiten nachdenken.

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