© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/11 20. Mai 2011

Nachrichten aus dem Keller
FDP-Parteitag: Eine „rechte“ Kurskorrektur der Liberalen findet keine Mehrheit
Hinrich Rohbohm

Birgit Homburger bahnt sich ihren Weg durch die Menge. Nur wenige beachten sie, obwohl sie in ihrem hellvioletten Sakko auf dem Presseabend der FDP im Rostocker Ratskeller vielen auffallen müßte. Die FDP im Keller. Der Ort hätte nicht passender sein können. Er paßt zu den Umfragewerten, zu den jüngsten Wahlergebnissen. Und er paßt derzeit zu Birgit Homburger, die so einsam wirkt in diesen von Journalisten und FDP-Funktionären überfüllten Rathaus-Räumlichkeiten. Eine Hand streckt sich ihr entgegen. Homburger greift dankbar zu. Kurzer Smalltalk, ein mitleidiger Blick ihres Gegenübers. „Kennen Sie eigentlich meine Frau?“, umschifft der Parteifreund das Thema, das sonst wohl zur Sprache gekommen wäre: Der Abgang Homburgers von der Fraktionsspitze. Ein fast schon stiller Rückzug, bei dem die 46jährige mit dem neuen Amt als stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende elegant aufgefangen wurde.

Der Rückzug Guido Westerwelles vom Parteivorsitz war lauter. Schmerzvoller. Nicht wenige Liberale bedauern seinen Abgang. Einer von ihnen ist der Rostocker Landtagsabgeordnete Ralf Grabow. „Man kann doch nicht immer alles an einer Person festmachen“, läßt er seiner Enttäuschung freien Lauf. „Den werden wir noch schmerzlich vermissen“, raunt man sich in einem kleinen um einen Bistrotisch versammelten Grüppchen bei Sekt und Wein zu. „Er konnte sich wie kein anderer von uns in den Medien verkaufen. Aber die Medien waren es auch, die ihn zu Fall brachten“, meint ein Funktionär.

„Das ist doch klar, daß an so einem Tag auch ein Stück Wehmut mit dabei ist“, gibt Westerwelle auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT zu. Zwei Jahre ist es her, da schwebte er noch auf Wolke sieben (JF 22/09). Die FDP hatte zweistellige Umfragewerte, eroberte im Sturm die Landtage. Statt in Rostocks Keller logierte man in einem nachgebauten Maharadscha-Palast in Hannover, die bevorstehende Bundestagswahl angesichts des Umfragehochs gelassen vor sich sehend.

Voller Selbstbewußtsein redete man von mehr Marktwirtschaft, von weniger Steuern. „Ich erwarte von einer Kanzlerin, daß sie zunächst einmal deutsche Interessen wahrnimmt“, hatte Westerwelle damals gesagt. Als Außenminister vertritt er diese nun selbst, spürt die Last der Verantwortung. Und ohne Frage auch den Druck linkslastiger Medien, denen derlei Aussagen, gepaart mit Westerwelles Kritik am ausufernden Sozialstaat und dem Vergleich mit spätrömischer Dekadenz ohnehin ein Dorn im Auge gewesen sein dürften.

 „Als er den Medien den Kampf ansagte, war sein Schicksal besiegelt“, sagt Peter, ein Hotelier aus Mecklenburg. Peter ist kein FDP-Mitglied, hatte sich zur Wende im Neuen Forum engagiert. „Heute ist das fast wieder wie zu DDR-Zeiten“, meint er. Dennoch ist er zum FDP-Parteitag in die Messehalle von Rostock gekommen. Nicht wegen Westerwelle, Brüderle oder Rösler. Peter ist wegen Frank Schäffler gekommen. Jenem Rebellen, der mit der von ihm gegründeten parteiinternen Gruppe „Liberaler Aufbruch“ der FDP ein neues Gesicht verleihen möchte. Eines, das sich auf die Wurzeln liberalen Denkens besinnt.

Die Chancen dafür stünden nicht schlecht. Nachdem die CDU immer stärker sozialdemokratische, teilweise gar sozialistische Züge anzunehmen droht, wird das Vakuum rechts der Union täglich größer.

Doch die Delegierten zucken schon bei dem Wort „rechts“ nervös zusammen, erteilen neben nationalliberalen selbst klassisch-liberalen Positionen eine klare Absage. Angesprochen auf Frank Schäffler blickt man in einem Kreise von Jungliberalen-Funktionären in frostige Gesichter. „Die kommen sich alle unglaublich wichtig vor“, meint einer von ihnen zu Schäfflers Initiative, die innerhalb der FDP nur eine „vollkommen unbedeutende Splittergruppe“ sei. Kritische Worte zur EU oder zum Euro? Fehlanzeige. Sowohl bei den Jungliberalen als auch bei Funktionären der Liberalen Hochschulgruppen bekennt man sich einmütig zu Euro und EU.

„Eigentlich bin ich mit der Politik der FDP so ganz zufrieden“, meint ein Delegierter. „Nur daß wir jetzt weniger statt mehr Netto vom Brutto haben, ärgert mich.“ Einer, der Kursänderungen in der FDP für notwendig hält, ist der sächsische Landesvorsitzende Holger Zastrow, den die Parteibasis am Wochenende zu einem der stellvertretenden Bundesvorsitzenden wählte. „Wir können aber nicht Harakiri machen. Wir sind in der Regierungsverantwortung und an Verträge gebunden, für Veränderungen braucht es Zeit“, sagt er der JF. Dabei setzt er auf seinen neuen Parteichef Philipp Rösler, den er wegen dessen Bodenständigkeit schätzt.  Mit 95 Prozent Zustimmung erzielte dieser ein ähnliches Traumergebnis wie sein Vorgänger vor zwei Jahren. „Der ist gut, der Junge, der wird immer als so brav gesehen, aber der kann auch ganz anders“, meint ein älterer Delegierter. Auf die Frage, warum man die FDP noch wählen sollte, antwortet eine Delegierte bezeichnenderweise: „Ich weiß es eigentlich auch nicht.“

Foto: Philipp Rösler (l.) und Guido Westerwelle in Rostock:  Programmatisch bleibt alles beim alten

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