© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/11 20. Mai 2011

In Nibelungentreue zum Euro
Rettungsschirm: Der Bundestag stimmt mit großer Mehrheit Milliarden-Hilfe für Portugal zu
Paul Rosen

Wer wissen will, wie es im Bundestag mit den sogenannten Euro-Rettungsmaßnahmen weitergehen wird, muß nur in die jüngste Vergangenheit schauen. Allenfalls eine kleine Gruppe von Koalitionsabgeordneten dürfte dagegen sein, mit weiteren Milliarden-Bürgschaften und Zahlungen einen Rettungsschirm für Länder an der Peripherie der Europäischen Union aufzuspannen.

Deutlich wurde dies am Donnerstag vergangener Woche, als es im Bundestag um die Hilfe für Portugal ging, das in den nächsten drei Jahren mindestens 78 Milliarden Euro braucht. Der Zahlung wurde quasi im Vorbeigehen zugestimmt. Fünf Unionspolitiker und drei FDP-Abgeordnete stimmten dagegen.

Wie die Mehrheit das sieht, wurde an einem Entschließungsantrag deutlich, den die Fraktionsführungen von Union und FDP vorgelegt hatten: „Die nachhaltige Stabilisierung der Euro-Zone ist im ureigensten Interesse Deutschlands und seiner europäischen Partner.“ Auch die Grünen forderten in einem eigenen Antrag, dem Hilfsantrag Portugals zuzustimmen, verlangten jedoch bessere Konditionen – nicht etwa für die zahlenden Deutschen, sondern für Portugal und andere Hilfeempfänger. Die Sozialdemokraten hatten schon lange vor der Sitzung ihre Zustimmung signalisiert, ebenso wie die Linke ihre Abneigung kundtat. Die Linke lehnt die an die Hilfen geknüpften Bedingungen wie Lohnsenkungen ab.

Die Gegner im Regierungslager wiederholten frühere Argumente, so etwa die CDU-Abgeordnete Veronika Bellmann: „Die Vorstellung, die prekäre finanzielle Situation einzelner Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe könnte mit Milliarden-Garantien und Krediten abgewendet und dadurch der Euro gestärkt werden, halte ich für illusorisch.“ Die strikten Bedingungen hält Bellmann für „weiße Salbe, um die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten zur Zustimmung für Hilfspakete zu bewegen“. In ihren negativen Erwartungen vom Mai 2010 übertroffen fühlten sich die Unions-Abgeordneten Peter Gauweiler, Alexander Funk, Manfred Kolbe, Klaus-Peter Willsch und Christian Hirte: „Während wir vor der Entscheidung stehen, Portugal Bürgschaften zu gewähren, wird schon von neuen ‘Stabilisierungsmaßnahmen’ gesprochen.“

Wie der europäische Wohlfahrtsstaat finanziert wird, verdeutlichten die FDP-Abgeordneten Frank Schäffler, Jens Ackermann und Jürgen Koppelin: Die Geschäftsbanken würden mit dem bei der Europäischen Zentralbank quasi zum Nulltarif besorgten Geld Staatsanleihen kaufen. Die Schöpfung dieses Scheingeldes jetzt für Portugal werde selbstverständlich auch in Deutschland zu höherer Inflation führen, schreiben die FDP-Politiker und erklären: „Niemand soll dem Antrag (für Portugal) zustimmen und sich später über die Steuerlast der Bürger und Inflation beklagen.“ Besonderen Eindruck hinterließen Schäffler und seine Kollegen bisher nicht. Auf dem FDP-Parteitag errangen sie mit ihrem Anti-Rettungsschirm-Antrag mit 173 zu 349 Stimmen allenfalls einen Achtungserfolg. Die meisten FDP-Abgeordneten und die FDP-Funktionäre wollen direkt nach der Vorstandswahl den neuen Vorsitzenden Rösler nicht in Verlegenheit bringen. Sie warten erst einmal ab, ob Rösler die Partei mit der europafreundlichen Politik aus der Talsohle führt und damit ihre Mandate sichert. Denn fast jedem Politiker geht es um die Sicherung des eigenen Mandats und Einkommens. Nur die wenigsten haben einen ordentlichen Beruf ausgeübt, in den sie zurückgehen könnten.

Niemand weiß genau, was auf uns mit dem Euro-Rettungsschirm ESM zukommt. 22 Milliarden muß Deutschland dem Schirm, über den im Herbst im Bundestag abgestimmt wird, direkt überweisen. Das Geld wird auf dem Kapitalmarkt aufgenommen. 168 Milliarden Euro Garantien soll Deutschland übernehmen. „Jeder Deutsche haftet also für 2.322 Euro“, rechnete der Stern bereits vor. Damit ist der Gipfel noch nicht erreicht. Die Europäische Zentralbank (EZB) soll 94 Milliarden Euro an griechische Banken ausgeliehen haben, die dafür griechische Staatsanleihen kauften und als Sicherheit bei der EZB deponierten. Zur Stützung griechischer Anleihenkurse soll die EZB mindestens 50 Milliarden Euro Anleihen aus Athen heimlich aufgekauft haben.

Deutsche Banken haben zwischen 18 und 40 Milliarden Griechenland-Papiere in ihren Portfolios, allein bei der „Bad Bank“ der HRE sollen es neun Milliarden, bei der Commerzbank drei Milliarden sein. Das alles sind ungesicherte Zahlen, weil die Bundesregierung keinen Bericht über die tatsächlichen finanziellen Verhältnisse in Europa und die möglichen Folgen vorlegt.

Die FDP wird diesen Bericht nicht fordern, und Kanzlerin Angela Merkel wird ihn nicht abgeben, weil keine Regierung gern prognostiziert, daß ihr der ganze Laden bald um die Ohren fliegen wird. Selbst wenn es keine eigene Mehrheit der Koalition für den dauerhaften Rettungsschirm oder die neue Griechenland-Hilfe gäbe, die weitere 50 bis 60 Milliarden Euro betragen dürfte, werden die Grünen und die SPD den Maßnahmen zustimmen. Wenn die FDP bei diesem Thema die Koalitionsfrage stellen würde, würde Merkel den Koalitionspartner auswechseln. Das wissen die liberalen Minister und Staatssekretäre und alle, die in der FDP noch etwas werden wollen. Daher wird Schäffler keinen Erfolg haben – oder erst wenn es zu spät ist für Europa und für die FDP.

Foto: Auf dem Reichstag weht künftig auch eine Europaflagge: Die Bundeskanzlerin kann sich notfalls auf SPD und Grüne verlassen

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