© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/11 20. Mai 2011

Gegen die ewige Beschwichtigung
Kommunalwahlkampf in Spanien: Katalanische Gemeinden verbittert über Ausländerpolitik / Kritik an etablierten Parteien
Michael Ludwig

Es kann nicht sein, daß sich junge Menschen zu Gruppen zusammenschließen, um nachts gegen vier Uhr an Hausecken herumzulungern“, sagt Antoni Rodriguez und fügt hinzu: „Es gibt Menschen, die in dieser kleinen Stadt Jahre verbringen, und du kannst nicht sagen, was sie hier eigentlich machen.“ Antoni Rodriguez will die Dinge zum Besseren wenden und schloß sich deshalb der Bürgerinitiative „Gent per Salt“ (Menschen für Salt) an. In der katalanischen Gemeinde gibt es inzwischen viele, die so denken wir er, und ganz Spanien ist gespannt darauf, wie Gruppierungen, die sich einem konsequenten Kampf gegen die massive Einwanderung verschrieben haben, bei den bevorstehenden Kommunal- und Provinzwahlen am 22. Mai abschneiden werden.

Salt gilt als eine Art Brennpunkt des Migrationsproblems. Die Kleinstadt liegt etwa 80 Kilometer nördlich von Barcelona und zählt etwas weniger als 30.000 Einwohner. Aber es sind ganz andere Zahlen, die in Salt für Ärger sorgen: 40 Prozent aller Bewohner sind Ausländer. Und es gibt 3.800 Arbeitslose, von denen mehr als 2.000 nicht aus der Stadt stammen. „Gent per Salt“ und die regional agierende Partei „Plataforma per Catalunya“ werfen den verantwortlichen Politikern vor, die Folgen ihrer Einwanderungspolitik nicht wahrnehmen zu wollen. An die Adresse der Bürgermeisterin Iolanda Pineda von den Sozialisten gewandt sagt Antoni Rodriguez: „Ihre Art ist es, immer zu sagen, daß hier nichts passiert.“

Tatsächlich jedoch passiert in Salt eine ganze Menge. Anfang des Jahres brannten zwölf Autos, nachdem ein 16jähriger Marokkaner nach einem Mopeddiebstahl auf der Flucht vor der Polizei von einem Dach stürzte. Es folgten Auseinandersetzungen mit der Polizei. Rund 100 Wohnungen wurden illegal besetzt. Die Folge: Die Beamten rückten aus, um die unrechtmäßigen Mieter zu vertreiben und die Haustüren zuzumauern.

Während in dem industriereichen nordöstlichen Landesteil die Konflikte zwischen einheimischer Bevölkerung und Zuwanderern nach wie vor virulent sind und die dortige konservative Volkspartei Partido Popular (PP) einen durchaus hemdsärmeligen Stil pflegt, wenn es um Migration geht, hat man in Madrid die Strategie gewechselt. Zur Verblüffung aller trat der PP-Landesvorsitzende und Oppositionsführer Mariano Rajoy dieser Tage vor die Mikrofone und brach eine Lanze für die Einwanderer. Rayoj erklärte: „Die PP macht Politik für alle – für die, die in Spanien geboren sind, und für die, die es nicht sind. Die große Mehrheit der Ausländer, die hierherkommen, sehen am Ende Spanien als einen Teil ihres Selbst.“ Um in den Genuß der Stimmen der rund 5,7 Millionen ausländischen Wahlberechtigten zu kommen, haben die Konservativen 430 Kandidaten mit fremden Pässen auf ihre Listen gesetzt.

Das alles überlagernde Wahlkampf-thema ist jedoch die wirtschaftliche Lage des Landes mit seinen 4,9 Millionen Arbeitslosen (21,3 Prozent), was einem neuen historischen Höchststand entspricht. Für die in Madrid regierende Sozialistische Partei PSOE bedeutet diese Zahl ein absolutes Desaster. Aber auch die anderen Daten geben wenig Anlaß zur Hoffnung – die Inflation betrug im April immerhin 3,8 Prozent, das Wirtschaftswachstum beläuft sich auf lediglich 0,8 Prozent, und auch der Konsum will nicht anspringen. Im Gegenteil: Er ist im März gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres um acht Prozent gefallen.

Kein Wunder also, daß die Konservativen, allen Umfragen zufolge, erheblich hinzugewinnen werden. Die Hauptstadt wird mit ihrem populären Bürgermeister Alberto Ruiz Gallardon wieder an die PP gehen, ebenso die Provinz Madrid. In der zweitgrößten Stadt des Landes, in Barcelona, führt die regionale bürgerliche Partei CiU, die vor allem katalanische Interessen vertritt.

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