© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/11 27. Mai 2011

Auf Spurensuche
Zukunftsprojekt: Straße der deutschen Sprache
Christian Schwiesselmann

Herr Paulwitz, es gibt die Deutsche Weinstraße in Rheinland-Pfalz, die Niedersächsische Milchstraße, die Straße der Romanik Sachsen-Anhalts und die Deutsche Alleenstraße, die vom Bodensee bis nach Rügen reicht. Was aber ist, bitte schön, die Straße der deutschen Sprache und warum braucht es sie?

Paulwitz: Die Straße der deutschen Sprache wird die erste Ferienstraße sein, die Sprachpflege und Tourismus miteinander verbindet. 78 Prozent der Deutschen meinen, daß mehr für die deutsche Sprache getan werden sollte. Im Ausland ist das Interesse an unserer Sprache nach wie vor groß. Mit Hilfe der Straße machen wir die deutsche Sprache sichtbar und erlebbar und stärken das Sprachbewußtsein. Die Orte, die an der Straße liegen, können durch den Anschluß an die Straße ihre sprachtouristischen Schätze besser zur Geltung bringen.

Erfolgreiche Ideen haben viele Väter. Von wem stammt die Idee?

Paulwitz: Der Gedanke zu einer „Straße der deutschen Sprache“ ist innerhalb der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft zu Köthen (Anhalt) gereift. Das ist ein Dachverband für mehrere Sprachvereine, der sich auf die Tradition des ersten deutschen Sprachvereins von 1617 beruft. Anfang des vergangenen Jahres habe ich dort den Gedanken zu einer solchen Straße erstmals vorgestellt. Das fand einen solch erfreulichen Widerhall, daß wir den Plan weiterverfolgen.

Ein Straßenbau setzt neben Planern auch Arbeiter und Geldgeber voraus. Wer walzt, pflastert und zahlt die Straße – um bei diesem sprachlichen Bild zu bleiben?

Paulwitz: Zunächst müssen keine neuen Angebote aus dem Boden gestampft werden. Statt dessen geht es darum, bestehende Angebote zu vernetzen. Lediglich für die Vermarktung werden Kosten entstehen. Sicherlich müssen alle teilnehmenden Orte einen finanziellen Beitrag leisten, der jedoch überschaubar sein wird. Außerdem wollen wir mit Partnern aus der Wirtschaft zusammenarbeiten.

Was sind die markantesten Etappen und Meilensteine der Straße?

Paulwitz: Den Kern der Straße wollen wir in Mitteldeutschland bilden, in den Bundesländern Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Nirgendwo in Deutschland gibt es eine solche Dichte an Orten, die für die deutsche Sprache bedeutsam sind. Dazu zählt nicht nur die Dichterhochburg Weimar. In Schleiz machte Konrad Duden seine ersten Aufzeichnungen zur Vereinheitlichung der Rechtschreibung. Auf der Wartburg fertigte Martin Luther Übersetzungen aus der Bibel an. Das anhaltische Köthen war der Sitz des ersten deutschen Sprachvereins. Der Platz reicht hier nicht, alles aufzuzählen. Manchen ist es gar nicht so richtig bewußt, aber in Mitteldeutschland liegen tatsächlich die Wurzeln des Hochdeutschen. Die ostmitteldeutsche Mundart hat die Sächsische Kanzleisprache maßgeblich beeinflußt. Auf diese griff Luther in seiner Bibelübersetzung von 1522 zurück und normierte damit das Hochdeutsche.

Die Straße der deutschen Sprache ist als eine Ferienstraße konzipiert. Wie kompatibel sind Hochkultur und Massentourismus wirklich?

Paulwitz: In einer europaweiten Umfrage des Goethe-Instituts nach den bedeutendsten Deutschen kamen Johann Wolfgang Goethe auf Platz eins und Martin Luther auf Platz vier. Beide haben viel für die deutsche Sprache geleistet. Auf die Frage „Was gefällt Ihnen am meisten an Deutschland?“ antworteten die meisten „Deutsche Kultur“. Auf Platz drei kam die deutsche Sprache – wenn das nicht massenkompatibel ist! Unterschätzen Sie auch nicht die Zielgruppe der Bildungsreisenden. Dazu gehören letztlich auch Schüler.

Wann wird die Straße eröffnet? Welche Schritte stehen noch aus?

Paulwitz: Am 30. März haben Abgesandte mehrerer Städte in Köthen eine Arbeitsgemeinschaft gegründet, welche die organisatorischen Voraussetzungen schaffen soll. Ich hoffe, daß wir nach mehreren Arbeitstreffen dann in einem Jahr so weit sind, daß wir den Trägerverein gründen können, dem die Orte beitreten. Wer nicht bis zur offiziellen Eröffnung der Straße warten will, kann sich allerdings schon heute auf Spurensuche in Mitteldeutschland begeben. Es lohnt sich!

 

Thomas Paulwitz ist Chefredakteur der Zeitschrift „Deutsche Sprachwelt“ und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft „Straße der deutschen SPrache“. Die Druckausgabe der Sprachpflegezeitschrift erscheint vierteljährlich und ist Sprachrohr einer ständig wachsenden Bürgerbewegung, die sich um die deutsche Sprache sorgt. Der Bezug der spendenfinanzierten Zeitschrift ist kostenlos: Postfach 1449, 91004 Erlangen, bestellung@deutsche-sprachwelt.de.

Daneben ist Thomas Paulwitz Ordensrat für Sprachpflege im „Pegnesischen Blumenorden zu Nürnberg“, der seit 1644 bestehenden Sprachgesellschaft. Dort leitet er den Sprachausschuß. Außerdem ist Paulwitz Gründungs- und Vorstandsmitglied der „Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft zu Köthen/Anhalt“, einer Dachorganisation mehrerer Sprachvereine.  http://deutschesprachwelt.de

 

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