© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/11 27. Mai 2011

Frisch gepresst

Kempowski. In der Schriftenreihe unter dem rätselhaften Titel „Die Spatien“ (im Fremdwörter-Duden nachzuschlagen) erreicht Band 5 mit Beiträgen zu Leben und Werk des „deutschen Chronisten“ Walter Kempowski die Leserschaft. Herausgegeben vom Rostocker Kempowski-Archiv versammelt er im ersten Teil („Begegnungen“) Studien über Einflüsse so unterschiedlicher Autoren wie Fritz Reuter, Arno Schmidt, Uwe Johnson und Peter Rühmkorf auf das Schaffen des Nartumer Collagekünstlers. Vor allem der Beziehung zu dem ungleich sprachmächtigeren, fast scheu bewunderten Eremiten Schmidt, dem wahren Antipoden der marktbeherrschenden Wortfabrik BöllGrassLenz, wäre weitere Aufmerksamkeit zu gönnen. Das zweite Kapitel versucht etwas neuprotestantisch gequält den Stellenwert der „Schuld“ in Kempis „Dichtung“ zu bestimmen. Mehr anzufangen ist mit Vanessa Brandes’ ausbaufähiger Skizze über Kempowski als „unberufenen Literaturkritiker“, der sich am „linken Kulturbetrieb“ der alten BRD reibt. Für die nächsten „Spatien“ versprechen die Editoren „unbekannte Archivschätze“ zu präsentieren – Gutmannsdörfer! (jr)

Die Spatien 5. Texte und Bilder aus dem Kempowski-Archiv. Selbstverlag des Archivs, Rostock 2011, broschiert, 163 Seiten, Abbildungen, 18 Euro

 

Konservativ. Keine begriffsgeschichtliche oder politikwissenschaftliche Erörterung, keine larmoyante Lageanalyse und – Gott sei Dank – keine programmatische Richtungsweisung erwartet den Leser im 25. Kaplakenband mit dem gewichtigen Titel „Das konservative Prinzip“. Statt dessen bietet der Saarbrücker Literaturwissenschaftler Günter Scholdt einen ebenso prägnanten wie scharfzüngigen Essay, der durch den kenntnisreichen Rückblick, mehr jedoch durch die scharfe Beobachtung der Gegenwart aus einschlägiger Brille besticht. Dabei offenbart Scholdt sich als erbarmungsloser Analytiker über die jeden wirklichen Konservativen zur Weißglut bringenden gesellschaftlichen Verirrungen. Da er es vermag, nie den Blick auf das „was immer gilt“ zu verstellen, besteht aber noch Hoffnung. (bä)

Günter Scholdt: Das konservative Prinzip. Edition Antaios, Schnellroda 2011, gebunden, 104 Seiten,        8,50 Euro

 

Historisches Kalenderblatt

30. Mai 1941: Der wegen seiner Gegnerschaft zum NS-Staat entlassene Leipziger Oberbürgermeister und spätere Widerstandskämpfer des 20. Juli, Carl Friedrich Goerdeler, entwirft einen Friedensplan zur Übermittlung an die britische Regierung.

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