© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/11 27. Mai 2011

Reflexionen ohne Handlungsanweisung
In seinem Sammelband bemüht sich der thüringische CDU-Politiker Mike Mohring, das Geheimnis des „modernen Konservativismus“ zu ergründen
Erik Lehnert

Das „Konservative“ hat zweifellos Konjunktur. Um das festzustellen, braucht man nur einen Blick auf die Bestsellerlisten der letzten Monate zu werfen. Wendet man sich allerdings der Politik zu, wird schnell deutlich, daß es sich um eine sehr einseitige Blüte des Konservatismus, um nicht zu sagen eine Scheinblüte, handelt. Das „Konservative“ findet sich nirgends in der Politik repräsentiert. Auch nicht in der CDU, von der das immer wieder behauptet wird. Was es gibt, ist eine marginalisierte konservative Minderheit, die schon lange keinen Einfluß auf die Richtlinien der Partei hat. Lediglich zur vollen Ausschöpfung des Wählerpotentials wird die konservative Karte vor Urnengängen kurz in die Luft gehalten.

Insofern ist es ein löbliches Unterfangen der Thüringer CDU über den Zeitraum von einigen Jahren hinweg, der Frage nachgegangen zu sein, was konservativ heute bedeutet. Das geschah bei Vortragsveranstaltungen, zu denen konservative Wissenschaftler und Politiker geladen waren. Die Vorträge liegen jetzt als Sammlung vor, herausgegeben vom Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, Mike Mohring. Der ehemalige Ministerpräsident Bernhard Vogel hat ein kurzes Vorwort verfaßt, in dem gleich der erste Satz das Dilemma, vor dem der Konservative in der Politik steht, auf den Punkt bringt: „Politik muß wertegeleitet sein, sonst verliert sie sich im Nirgendwo, vergißt die Menschen mitzunehmen und stiftet Verwirrung statt Orientierung.“ Es besteht weder Einigkeit über die oft beschworenen „Werte“ der Konservativen, noch wird das Geheimnis gelüftet, wie man die Menschen „mitnehmen“ will, wenn man ihnen hinterherläuft. Mit konservativen „Werten“ lassen sich schon lange keine Wahlen mehr gewinnen, weshalb man sich in der CDU auf einen progressiven Liberalkonservatismus verständigt hat.

Um so erstaunlicher liest sich der vorliegende Band, in dem vor allem die Beiträge von Jürgen Liminski, Josef Kraus, Josef Isensee und Kurt Biedenkopf so etwas wie ein Gegenprogramm zur aktuellen CDU liefern. Hier wird deutlich, warum kein Konservativer die CDU als konservative Partei betrachten kann und sich der Durchschnittswähler die CDU ehrlicherweise nicht als konservative Partei zurückwünscht: Der hier formulierte Anspruch an den einzelnen übersteigt das, was der einzelne in der Regel gewillt ist zu leisten. Die CDU hat in den letzten Jahrzehnten alles dafür getan, die Tatsache zu verschleiern, daß die Freiheit nicht umsonst zu haben ist, sondern an den Dienst für die Gemeinschaft gebunden ist. Bei dem einen mag die Erinnerung daran wehmütige Erinnerungen an die „eigentliche“ CDU wecken.

Für die jüngeren Leser wird es schwierig, hier überhaupt einen Zusammenhang herzustellen. Die Diskrepanz wird besonders deutlich, wenn man sich vor Augen hält, daß die CDU in den neuen Bundesländern die Chance hatte, sich mit Verweis auf die selbst erkämpfte Freiheit der politisch korrekten Bevormundung zu entziehen. Das hat sie im Fall des designierten Kultusministers Peter Krause nicht getan und sie wird es, aller Reflexionsarbeit zum Trotz, wohl auch in Zukunft nicht tun.

Mike Mohring (Hrsg.): Was heißt heute konservativ? Freiheit, Verantwortung, Ordnung. Bausteine für einen modernen Konservativismus. Verlag Bussert und Stadeler, Jena 2010, gebunden, 220 Seiten, 19,90 Euro

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