© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/11 27. Mai 2011

„Wie jung ist die JF noch?“
Ein Gespräch zwischen Volontär und Chefredakteur

HOFFGAARD: Herr Stein, wieviel des 19jährigen Studenten, der vor 25 Jahren seine eigene Zeitung gründete, steckt heute im Chefredakteur Dieter Stein?

STEIN: Ich habe mir die naive Vorstellung erhalten, es müsse zu einem echten, freien Austausch von Meinungen und Argumenten in einer Demokratie kommen.

HOFFGAARD: Wie wichtig ist Ihnen die Jugend in der JUNGEN FREIHEIT?

STEIN: Daß wir nicht nur Praktikanten, sondern auch mit Ihnen den ersten Volontär bei der JF haben, ist eine Zeitenwende. Wir wissen, daß für uns „alte Säcke“ die Zeit abläuft und wir die Stabübergabe vorbereiten müssen. Ausbildung des Journalistennachwuchses ist also superwichtig. Wo könnten wir denn noch mehr machen, um „jung“ zu sein?

HOFFGAARD: Die JF muß zukünftig noch mehr auf neue Medien setzen. Sie macht ja schon eine Menge, es gibt eine Facebook-Gruppe, aber es fehlt zum Beispiel ein JF-App! Toll ist es, daß es einen Nachwuchswettbewerb gibt. Vielleicht noch eine Sommeruniversität?

STEIN: Wie kam es eigentlich dazu, daß Sie als Schüler nicht mit dem linken Mainstream an Ihrer Schule schwammen, sondern sich für eine konservative Position entschieden – und JF-Leser wurden?

HOFFGAARD: Ein Schlüsselerlebnis war, als ich 16 Jahre alt war und mit Billigung der Klassenlehrerin in unserem Klassenraum ein Plakat der PDS „gegen Rechts“ aufgehängt wurde. Es war klar, daß man als Nichtlinker als Randgruppe ausgegrenzt wurde. Auf die JF bin ich erst an der Uni gestoßen: In einem Politikseminar wurde warnend über die sogenannte „Neue Rechte“ informiert, darunter die JF – ich las sie und war sofort eingenommen. Doch noch einmal zu Ihnen: Was ist eigentlich ihr Erfolgsrezept?

STEIN: Ich habe immer ein sehr kritisches Selbstbild – insofern muß ich mich manchmal zwingen, zu sagen: „Ja, wir sind erfolgreich!“ Andererseits bin ich ein unverbesserlicher Optimist. Mein Lebensweg ist gesäumt von Leuten, die immer sagten: „Das wird nie was!“ Oder von vielen, die sagten: „Man müßte mal ...“ Ich habe Freunde gefunden, mit denen ich Schritt für Schritt eine Vision in die Realität umgesetzt habe. Was sagt Ihre Familie und Ihr Freundeskreis eigentlich zu Ihrer Berufswahl und daß sie bei der JF angefangen haben?

HOFFGAARD: Meine Eltern sind sehr stolz, daß ich bei der JF angefangen haben. Sie sind selbst Abonnenten geworden und begeistert von meiner Arbeit. Gegenfrage: Wie steht Ihre Familie zu Ihrem Lebensweg?

STEIN: Meine Familie ist politisch äußerst heterogen. Ich habe zwei Schwestern, die sind bei den Grünen engagiert, zwei Brüder, die politisch ebenfalls anders gepolt sind. Bei Familienfesten soll deshalb immer ein Bogen um Politik gemacht werden. Heterogen ist vielleicht auch der falsche Ausdruck: Ich bin der konservative Ausreißer. Außer meiner Mutter liest niemand in meiner Familie die JF. Im Zweifel glauben übrigens auch Familienangehörige eher Wikipediaeinträgen als einem persönlichen Eindruck.

HOFFGAARD: Das klingt verbittert.

STEIN: Ich bin schon manchmal enttäuscht, wie gering das Interesse daran ist, wenn jemand etwas selbst auf die Beine stellt.

HOFFGAARD: Ihr Vater hat Sie doch aber unterstützt.

STEIN: Ja, und ich bin durch ihn politisch auch geprägt worden. Er war Berufssoldat und arbeitete am Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg. Inzwischen schreiben eine Reihe von ehemaligen MGFA-Mitarbeitern für die JF, in der letzten Ausgabe sogar der ehemalige Amtschef meines Vaters. Er wäre hin und weg, wenn er das erlebt hätte. Nur machten sich ab 1988/89 die Folgen einer einsetzenden Demenzerkrankung bemerkbar, so daß er gerade noch den Mauerfall, nicht aber mehr den Umzug der JF nach Berlin und den Wochenzeitungsstart miterlebte. Und wie wichtig ist Ihnen die Familie?

HOFFGAARD: Sehr wichtig. Familie ist Heimat. Haben Sie bei all den Sorgen und Hindernissen als junger Mensch auch mal ans Aufgeben gedacht?

STEIN: Als im Herbst 1994 zweimal kurz hintereinander unsere Druckerei in Weimar überfallen, beim zweiten Mal im Dezember durch einen terroristischen Brandanschlag zerstört wurde, da war so ein Moment da. In der Phase fehlte mir auch kurzzeitig die Mehrheit in der GmbH – es war fürchterlich.

HOFFGAARD: Aber?

STEIN: Gerade bei dünner Luft wird es spannend. Ich wollte letztlich immer auf Biegen und Brechen, daß es gelingt, uns durchzusetzen.

HOFFGAARD: Warum?

STEIN: Weil die JF einen übergeordneten Auftrag hat: Es geht um die Durchsetzung echter Pressefreiheit. Es geht nicht um das materielle Auskommen von mir oder den Angestellten des Verlages: Wir haben die Pflicht, unseren Ideen, die von Tausenden Lesern mitgetragen werden, das nötige Gehör zu verschaffen mit dem Ziel, Deutschland politisch zu verändern. Warum wollen Sie eigentlich Journalist werden?

HOFFGAARD: Damit ich am Ende meines Lebens auf etwas zurückschauen kann, auf das ich stolz sein kann. Ich hinterlasse als Schreibender etwas Bleibendes. Rein hypothetisch, hätte ein junger Dieter Stein, der seine Zeitung im Jahr 2011 gegründet hätte, heute noch eine Chance zu bestehen?

STEIN: Wahrscheinlich würde ich heute keine Zeitung gründen, sondern als erstes mit einem Internet-Blog beginnen. Hier kann man als einzelner mit geringsten Mitteln am schnellsten etwas bewegen.

HOFFGAARD: Ist die Zeitung also von gestern?

STEIN: Die Tageszeitungen haben unter dem Druck der neuen Medien ein Problem. Wochenzeitungen haben jedoch den Charme, ohne das Diktat der Tagesaktualität hintergründig zu berichten. Und daran gibt es sogar zunehmend Bedarf.

Foto: Henning Hoffgaard (23, li.), seit Februar erster Volontär der JF im Gespräch mit Chefredakteur Dieter Stein (43): Zwei unterschiedliche Wege, Journalist zu werden

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