© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/11 03. Juni 2011

Der Ausfall kommt
Ende der Atomkraft: Der übereilte Ausstieg gefährdet die Energiesicherheit
Klaus Peter Krause

Stromausfälle kennen die Menschen in Deutschland bisher nur aus Nachrichten von anderen Ländern, aus einer fernen Welt, als etwas Exotisches. Das wird sich ändern. Stromausfälle stehen auch hierzulande bevor – als Eigenerlebnis zu Hause (beim Kochen am Elektroherd, beim Staubsaugen, Geschirrspülen, Wäschewaschen, Heizen, Surfen im Internet, Fernsehen) und außerhalb der Wohnung am Arbeitsplatz, im Bahnverkehr, im Operationssaal … Solche Eigenerlebnisse werden Erweckungserlebnisse sein.

Denn nun werden die Menschen die Folgen der vorgeblichen Klimaschutzpolitik hautnah ganz persönlich erleben. Sind doch die Stromausfälle die unausweichliche Folge jener Politik, die glaubt, den Strombedarf einer hochentwickelten Industrienation mehr und mehr (und eines Tages nur) mit Windkraft und Sonnenschein auf Photovoltaik-Dächern decken zu können, eine Politik, die angstschürend und wider besseren Wissens ihre Stromerzeugung aus Kernkraft aufgibt, die wegen des CO2-Ausstoßes letztlich auch die Kohle- und Gaskraftwerke durch die „Erneuerbaren“ ersetzen will, die dieses technisch-anthropogene CO2 unbewiesen als „Treibhausgas“ verteufelt und die das diktatorische Vermeiden dieses CO2 den Menschen als Klimaschutz vorgaukelt.

Warum unausweichliche Folge? Meistens weht der Wind zu schwach, zu stark oder auch gar nicht. Daher erreichen die Generatoren im Jahresdurchschnitt allenfalls 20 Prozent ihrer Nennleistung, auf See nur bis zu 30 Prozent. Daher müssen herkömmliche Kraftwerke stets bereitstehen und einspringen, um die Fehlmengen von durchschnittlich 80 Prozent sofort zu liefern – betrieben mit Kohle, Gas oder Kernenergie. Und auf die Sonne ist in unseren Breiten ebenfalls kein Verlaß. Wohl pflegt sie tagsüber mal zu scheinen, aber zu häufig auch nicht, und nächtlichen Sonnenschein werden die Menschen ebensowenig hinbekommen, wie sie das „Klima schützen“ können. Ohne die „Schattenkraftwerke“ ist eine stetige und verlässliche Stromversorgung durch Wind und Sonne, mit den benötigten Mengen wie bisher, zu jeder Tages- und Nachtzeit, illusorisch.

Ohnehin wird es mit laufend mehr Wind- und Photovoltaik-Strom schon derzeit trotz der jetzt noch verfügbaren herkömmlichen Kraftwerke immer schwieriger, Angebot und Nachfrage miteinander in Einklang zu bringen, denn Strom auf Halde zu produzieren, also großtechnisch zu speichern, geht bisher nicht. Damit wird es auch immer schwerer, die Spannung im Netz stabil zu halten. Je mehr Wind- und Photovoltaik-Strom, desto instabiler die Netzspannung. Früher war die Verteilung des Stroms vergleichsweise einfach. Produziert wurde er fast nur von den Versorgern und überwiegend in Großkraftwerken. Das war stromtechnisch vergleichsweise einfach zu steuern. Aber mit dem Ausbau der „erneuerbaren“ Energieträger ist die Produktion abhängig von Wetter und Tageszeit und schwankt. Zudem wird der Strom dezentral produziert und ist so nur schwer zu kalkulieren, die Versorgung daher nur schwer zu steuern, die Stromspannung nur schwer für die nötigen 50 kHz zu stabilisieren. Stromausfälle sind damit gleichsam programmiert.

Wenn nun Deutschland „aus der Kernkraft aussteigt“, also einsam und allein seine Kernkraftwerke abschaltet, dann ist die Gefahr von Stromausfällen schon jetzt akut, vor allem im Winter. Eben darum haben jüngst die vier großen Stromnetzbetreiber in Deutschland vor „großflächigen Versorgungsausfällen“ als Folge des Ausstiegs gewarnt, ebenso die Internationale Energieagentur. Energiefachleute haben schon viel früher gewarnt. Die Gefahr, daß durch immer mehr Wind- und Solarstrom das Stromnetz überfordert ist und zusammenbricht, haben allmählich auch die Profiteure dieser unverantwortlichen Energiepolitik erkannt, unter ihnen die Politiker und der Fiskus. Als Ausweg wollen sie Deutschland mit ganz neuen Stromleitungen überziehen.

Der wetterwendische und dezentral erzeugte Strom aus Wind uns Sonne führt zwangsläufig also auch zu einem Umbau des Stromnetzes. Die deutschen Stromerzeuger und Hunderte Kommunalversorger müssen im nächsten Jahrzehnt ihre Netze gegen die künstlich herbeigeführte Instabilität sichern. Daher soll Deutschland mit einem zusätzlichen und technisch neuen Stromleitungsnetz überzogen werden, Tausende Kilometer lang. Dafür sind Milliardeninvestitionen nötig, um zur einstigen Netzstabilität zurückzufinden. Aber Planung, Durchsetzung gegen Bürgerwiderstand und Bau dauern viele, viele Jahre. Bis dahin müssen sich Bürger und Unternehmen in Deutschland auf Stromausfälle einstellen.

Darüber hinaus werden die Stromausfälle begleitet von einer gewaltigen Stromverteuerung. Von 2000 bis 2011 hat sich der Strompreis bereits verdoppelt – auf 23 Cent je Kilowattstunde. Bis 2020 wird er sich abermals verdoppeln – auf über 50 Cent. Spätestens dann müßte der bei den Menschen geschürte CO2-Wahn und Klimaschutz-Irrglaube auf den Boden der Tatsachen zurückfinden. Wahrscheinlich ist der politischen Klasse gar nicht klar, daß die privaten Haushalte 50 bis 60 Elektrogeräte nutzen und dafür eine stets verfügbare Stromversorgung brauchen. Ohne Strom geht heute fast nichts mehr.

 

Dr. Klaus Peter Krause ist Publizist und ehemaliger leitender Wirtschaftsredakteur der FAZ.

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