© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/11 03. Juni 2011

G8-Staaten unterstützen Christine Lagardes IWF-Kandidatur
Femme fatale
Wilhelm Hankel

Seit ihrer Gründung 1944 betrachten die USA und Europa die UN-Schwesterorganisationen Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) als ihnen von Gott auf Ewigkeit geschenkte Erbhöfe. Die Weltbank „gehört“ den USA, der IWF den Europäern. Seit dem unrühmlichen Abgang von Dominique Strauss-Kahn (DSK) soll nun „selbstverständlich“ wieder jemand aus Frankreich, die derzeitige Finanzministerin Christine Lagarde, die Nachfolge antreten. Ihre Qualifikation steht für ihre Ernenner außer Frage, der Fachwelt ist sie allerdings mehr als Rechtsbrecherin und Expertin mit eigenwilliger Sachkunde in Erinnerung.

Dem Wallstreet Journal verriet sie unverblümt, man habe „die Euro-Verträge brechen müssen, um den Euro zu retten“. Und den Deutschen, die mit ihren ausdauernden Export- und Leistungsbilanzüberschüssen (den zweitgrößten der Welt) dem Euro internationale Stärke und Ansehen verleihen, riet sie, diese Überschüsse, weil Eurogefährdend, abzubauen. Und wie? Durch ein bißchen mehr häusliche Inflation! Ein für eine Euro-Retterin und künftige Weltwährungshüterin höchst merkwürdiger Rat.

Doch der eigentliche Skandal liegt tiefer. Schon DSK hatte nicht nur ein gestörtes Verhältnis zum Bürgerlichen Gesetzbuch, sondern auch zu den Statuten des IWF. Dieser hat kein Mandat zur Hilfe für in selbstverschuldeten Haushaltsnotlagen befindliche Mitgliedsländer. Er darf nur dann mit „Stand-by“-Krediten tätig werden, wenn akute Devisennöte (Zahlungsbilanzprobleme) „Staaten zu Maßnahmen zwingen, die dem nationalen Wohlstand und dem der Weltwirtschaft abträglich sind“ (Artikel I, 2-5 des IWF-Statuts).

Dieser Auftrag ist zeitlos und nach sechs Jahrzehnten aktueller denn je. Nur: Er paßt weder auf Euro-Rettung noch Griechenlandhilfe. Europas havarierende Südstaaten der EU haben kein Zahlungsbilanzproblem. Sie sind nicht in ausländischen Devisen verschuldet, sondern ihrer Landeswährung, dem Euro. Und die Löcher in der Zahlungsbilanz der gesamten Euro-Zone, die die unverantwortliche Finanzpolitik der Defizitländer aufreißt, indem sie, statt zu Hause Steuern zu erheben, sich bei ihren Euro-Nachbarn verschulden, schließt Deutschland mit seinen Exportüberschüssen. Weiß Christine Lagarde das nicht? Oder zielt ihr Rat auf anderes: Schwächung einer für Frankreich unliebsamen Konkurrenz?

Daß Strauss-Kahn den IWF statutenwidrig zum zweiten Rettungsfonds für den Euro abkommandierte, hat ihm die Kritik seiner Mitarbeiter und der neuen Großeinleger aus den Schwellenländern eingetragen. Der IWF ist für alle Nationen der Weltwirtschaft da, vor allem für die ärmsten. Sollte Frau Lagarde die Instrumentalisierung des IWF für die Hausprobleme des reichen Europa fortsetzen, wird daraus ein weltpolitischer Skandal. Auch das sollten die Claqueure für diese fragwürdige Kandidatur bedenken.

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