© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/11 03. Juni 2011

„Parasit des Journalismus“
Kritik an der „Bild“ ist zur Zeit wieder groß in Mode / Der Fall Ottfried Fischer zeigt, wie haltlos manche der Vorwürfe sind
Lion Edler

In Sachen Humor wollen sich offenbar selbst die Kritiker an Bild ein Beispiel nehmen. „Schocker-Studie – Kai! Was tust du uns Deutschen an!“, stand auf einer Zeitungsparodie, die auf den Bild-Chef Kai Diekmann anspielt und bei einer Podiumsdiskussion über die Zeitung mit den großen Buchstaben in Berlin verteilt wurde.

Anlaß war die Vorstellung der Studie „Drucksache Bild – Eine Marke und ihre Mägde“ von Hans-Jürgen Arlt und dem Ex-Chefredakteur der Frankfurter Rundschau Wolfgang Storz. Die beiden Journalisten haben sich im Auftrag der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung mit dem Geschäftsmodell von Bild und ihrer Berichterstattung befaßt.

Noch mehr als die gewinnorientierte Arbeitsweise durch die Vermarktung sogenannter Volksprodukte ärgerte die beiden Autoren die Bild-Berichterstattung. Vor allem während der Eurokrise sei die Zeitung zu einem „fetten Parasiten des Journalismus“ mutiert, finden die Autoren der Studie. Storz warf ihr vor, daß sie „an schon vorhandenen Stereotypen ansetzt und diese verstärkt“. Als Beispiel nannte er Schlagzeilen oder Thesen wie „Das wird man doch noch sagen dürfen“ (während der Sarrazin-Debatte) oder „Deutschland ist Zahlmeister der EU“.

Auch die anderen Teilnehmer waren schlecht auf Bild zu sprechen. Harald Schumann vom Tagesspiegel etwa fürchtet ihren Einfluß auf das deutsche Meinungsklima. Er räumte jedoch ein, dieser sei „um so stärker, je schlechter die Berichterstattung anderer Medien ist“. Auch seine Kollegin Ulrike Simon klagte über die PR-Kampagne der Bild für das Ehepaar zu Guttenberg, das zum „Märchenpaar“ stilisiert worden sei. Hier widersprach Markus Feldenkirchen vom Spiegel. Er argumentierte, die Affäre Guttenberg habe die Grenzen der Bild-Zeitung aufgezeigt. Ihr Einfluß auf die öffentliche Meinung werde überschätzt. Ansonsten ließ aber auch er kaum ein gutes Haar an Bild.

Zu dem Zeitpunkt konnte Feldenkirchen das Urteil gegen Wolf-Dietrich S. noch nicht kennen. Der Schauspieler Ottfried Fischer hatte dem Ex-Bild-Reporter S. vorgeworfen, ihn mit einem Sexvideo erpreßt zu haben. Diese Geschichte war Grundlage einer vielbeachteten Enthüllungsgeschichte des Spiegel über die angeblichen Bild-„Brandstifter“ im Februar. Doch Wolf-Dietrich S. ist zwischenzeitlich vor einer Woche freigesprochen worden. Die Spiegel-Story ist dadurch hinfällig.

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