© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/11 03. Juni 2011

Haltungsnote
Türkisches Blut
Christian Schwiesselmann

Blut ist dicker als Wasser. Das konnte jeder Frühaufsteher lernen, der das „Berliner Frühstück“ mit Cem Özdemir im ARD-Morgenmagazin verfolgte. Korrespondent Werner Sonne befragte den grünen Parteivorsitzenden zwischen Croissant und Buttertoast zu seiner türkischen Herkunft und ließ dabei auch die Mutter des 1965 in Bad Urach geborenen Politikers zu Wort kommen.

Ihre Botschaft, die sie mit klagender Stimme vorbrachte, war unmißverständlich: „Deine Blut ist türkische Blut. Ich habe dir Blut selber gegeben. Alles kann man wechseln, aber Blut bleibt. Tut mir leid.“

Die Eltern Özdemirs stammen aus einfachen Verhältnissen – der Vater war Fabrikarbeiter, die Mutter Schneiderin – und scheinen eher dem Grundsatz des ius sanguinis (Abstammungsprinzip) als dem des ius soli (Geburtsortsprinzip) im Staatsbürgerschaftsrecht zu vertrauen. Im Gegensatz zu ihrem Sohn, der den deutschen Paß bereits mit seiner Volljährigkeit 1983 einstrich, wurden sie erst 1994 deutsche Staatsbürger – kurz bevor Cem als Abgeordneter in den Deutschen Bundestag einzog. Wie Özdemir im Frühstücksfernsehen eingestand, taten sich seine Eltern schwer damit, daß sich Sohnemann bei den Grünen engagierte. Pullover, Latzhose, vegetarische Ernährung und die Weigerung des studierten Sozialpädagogen, seinen Wehrdienst in der Heimat seiner Eltern abzuleisten, kränkten offenbar ihre stolze türkische Seele.

Die Toleranz des „anatolischen Schwaben“ (Özdemir über Özdemir) endete, als Werner Sonne ihn als Türken und den FDP-Chef Philipp Rösler als Vietnamesen bezeichnete. Türkischstämmig und vietnamesischstämmig müsse das heißen, fuhr Özdemir, der eine Flugmeilenaffäre überstanden hat und als Kanzlerkandidat gehandelt wird, dem peinlich berührten Frühstücksmoderator über den Mund.

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