© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/11 10. Juni 2011

Sieg oder Versöhnung
Geschichtspolitik: Die Rückkehr des Idstedt-Löwen nach Flensburg sorgt für Streit
Hans-Joachim von Leesen

Flensburg steht königlicher Besuch ins Haus. Am 10. September dieses Jahres reist der dänische Prinz Joachim in die nördlichste Stadt der Bundesrepublik, um den Idstedt-Löwen einzuweihen. Dabei handelt es sich um ein acht Meter hohes dänisches Siegesmal, das nach der Niederlage der aufständischen Schleswig-Holsteiner vor fast 150 Jahren 1862 errichtet worden war, und nun wieder seinen Platz auf dem alten Flensburger Friedhof über den Gräbern gefallener schleswig-holsteinischer Krieger finden soll, von dem es nach dem Deutsch-Dänischen Krieg 1864 wieder weichen mußte.

Vor zwei Jahren (JF 26/09) hatte die Flensburger Ratsversammlung auf Antrag der Linkspartei mit 30 von 43 Ratsmitgliedern den Wunsch ausgesprochen, die Verwaltung möge sich bei den dänischen Behörden um eine Verlegung des Idstedt-Löwen von seinem Platz vor dem Kopenhagener Zeughaus (wo er seit 1945 steht) nach Flensburg bemühen. Die Zustimmung ließ nicht lange auf sich warten, handelt es sich doch um eine immer wieder erhobene Forderung der dänischen Minderheit, seit einigen Jahren zunehmend von einer Gruppe betont linker Landeshistoriker unterstützt. Sie deuteten das Denkmal gleichzeitig vom Siegesmal zum Symbol der Aussöhnung zwischen Dänen und Deutschen um.

Zwar hatte die Öffentlichkeit – von den Flensburger Wählern stimmen gerade einmal 20 Prozent für die Dänenpartei Südschleswigscher Wählerverband – uninteressiert von dem Beschluß der Ratsversammlung Kenntnis genommen, doch droht nun unter den schleswig-holsteinischen Landeshistorikern Streit über die Bedeutung des Bronzelöwen auszubrechen.

Ausgelöst wurde er durch einen kritischen Artikel des jungen Geschichtswissenschaftlers Jan Schlürmann, den die „Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte“ in ihren Mitteilungen veröffentlichte, in dem er seine Verwunderung ausdrückte, daß aus einem als Sieges- und Triumphmal gedachten Löwendenkmal („Sa staar Du aedle
Sejrsminde!“ – „So steh, Du edles Siegesmal!“ so der Festredner von 1862) jetzt ein entnationalisiertes Symbol für die deutsch-dänische Freundschaft geworden sein soll, obwohl es bisher von allen Seiten als „dänisches Denkmal“ verstanden worden ist. Für die dänische Minderheit war der Löwe stets ein Symbol für den angeblich dänischen Charakter des Landesteils Schleswig. Das galt auch noch, als 1992 der letzte von Dänen und  Sozialdemokraten unternommene Vorstoß für die Wiedererrichtung des Siegesdenkmals in Flensburg geführt wurde. Eine als Werbung für solche Bestrebungen einberufene Versammlung endete in einem Sturm des Protestes der anwesenden deutschen Flensburger. Dann herrschte jahrelang Ruhe, bis die Ratsversammlung ihren  überraschenden Beschluß faßte. Jan Schlürmann machte in seinem Aufsatz nun darauf aufmerksam, daß die an der Diskussion beteiligten deutschen Historiker mit der Intenationalisierung der dänischen Minderheit ihr Symbol nähmen, und sprach mit sanfter Ironie den Verdacht aus, die neuen ahistorischen Deutungen würden von einem sich „hermetisch abschließenden Kreis ideologisch konditionierter Funktionäre“ ausgehen.

Daraufhin meldeten sich in den Mitteilungen der Geschichtsgesellschaft Kritiker mit Artikeln zu Wort, in denen Schlürmann beschuldigt wurde, die Löwen-Befürworter auf unerhörte Weise zu diffamieren, eine „maßlose Polemik“ zu entfesseln, über „nur mangelhafte Kenntnisse der Grenzlandverhältnisse“ zu verfügen, von „unüberbietbarer Dreistigkeit“ zu sein. Gleichzeitig griffen sie mit scharfen Worten den Redakteur der Mitteilungen an, weil er überhaupt einen kritischen Beitrag über den Löwen veröffentlicht hatte, und verlangten kaum verschleiert seine Entlassung. Aber Schlürmann erhielt auch manche Unterstützung, vor allem von Fachkollegen, die sich für eine offene Diskussion aussprachen. Tatsächlich geht es um die Deutungshoheit über die Geschichte des deutsch-dänischen Grenzlandes, die bisher von der politischen Linken beansprucht wird.

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