© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/11 10. Juni 2011

Ich bin in den Medien, also bin ich
Nicht mehr Lokführer, sondern Promi: Jungs von heute streben vor allem nach öffentlicher Bekanntheit
Richard Stoltz

Was willst du mal werden? Auf diese Frage antworteten in alten Zeiten Jungen im Vor-Stimmbruch-Alter in der Regel: Lokomotivführer, Oberförster oder Nordpolforscher. Später änderte sich das, und man hörte etwa Auskünfte wie „Formel-1-Pilot“, „Popsänger“, „Luxus-Arbeitsloser in Florida“. Aber ganz neuerdings gibt es – laut Spiegel-TV – bei den Acht- bis Dreizehnjährigen nur noch eine einzige Antwort: „Promi“. Promi wollen sie werden, aus welchem Elternhaus sie auch stammen.

Es geht nicht mehr um Abenteuer, Schnelligkeit oder leichtverdientes Geld, nur noch um möglichst üppige Medienpräsenz, egal wie diese zustande kommt. Ob Hundert-Meter-Lauf-Sieger oder S-Bahn-Schläger – Hauptsache, man kommt in die Medien, in die Fernsehnachrichten, ins Internet, in die Talkshows. Am liebsten natürlich als aktiver Teilnehmer, der seinen eigenen Senf abliefern darf, doch als „Objekt“, über das man sich öffentlich das Maul zerreißt, ist man auch nicht schlecht untergebracht. Man hat’s geschafft, man ist Promi.

Mit klassischer jugendlicher Ruhmsucht hat das nicht das geringste mehr zu tun. Wer früher nach Ruhm strebte, der wollte etwas leisten, um in die Erinnerung der Nachwelt einzugehen. Was hingegen heute als Ruhm gehandelt wird, ist nichts weiter als überdimensionale momentane Bekanntheit, eben sogenannte „Prominenz“. Nicht ins Archiv streben unsere Zehnjährigen, sondern nach dem aktuellen Promi-Status.

An sich ist das in sehr drolliger Weise frühreif. Die Jungen sehnen sich angeblich nicht mehr nach ureigenem Lebensgenuß, wollen keinen Bewegungs- oder Forscherdrang mehr ausleben oder faul in der Sonne liegen und Eis schlecken, nein, sie wollen vor allem als wichtig gelten, mindestens so wichtig wie Sebastian Vettel, Pietro Lombardi oder Günter Grass. Arme junge, altkluge, medial abgekühlte Generation 2011!

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen