© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/11 10. Juni 2011
Zeitschriftenkritik: Rokko‘s Adventures Bei einem Abstieg in die Wiener Kanalisation hat zumindest der Cineast die Jagd auf den Penicillinschieber Harry Lime vor Augen, doch in diesem Fall geht es um weit profanere Angelegenheiten. Rokko´s Adventures, eine Mischung aus Underground-Magazin, Musikfachzeitschrift und Fanzine, ist den Spuren nachgegangen, was mit den täglichen Geschäften, dem Duschwasser und sämtlichen anderen Resten der 1,7 Millionen Einwohner von Wien geschieht. Nach der Lektüre ist man dann klüger: 99 Prozent der Haushalte sind an das Kanalnetz angeschlossen, das sich über 2.400 Kilometer erstreckt und täglich eine halbe Milliarde Liter Abwasser und bei starken Niederschlägen oder Schneeschmelze sogar das Dreifache aufnimmt. 300 Kanalarbeiter wuseln durch dieses unterirdische Labyrinth und sorgen dafür, daß sich am Ende alles in Rauch auflöst bzw. gereinigt in den Donaukanal fließt. Übrig bleiben pro Jahr 65.000 Tonnen Klärschlamm, die zur Energiegewinnung in eine Verbrennungsanlage kommen. Unter dem Titel „In die Hölle, wo du hingehörst“ bietet die seit 2007 mit einer Auflage von 1.000 Exemplaren und einem Umfang von jeweils etwa neunzig DIN-A4-Seiten erscheinende Zeitschrift in ihrer aktuellen Ausgabe (Nr. 8) unter anderem auch ein Interview mit einem Exorzisten, das selten detaillierte Einblicke in die Welt der Teufelsaustreibung gewährt. Nach einem Exerzitienkurs bei einem älteren Salvatorianer-Pater entschloß sich der unter dem Pseudonym „Spectator“ interviewte Priester, Exorzist zu werden, da er als Spastiker, der seit zwölf Jahren im Rollstuhl sitzt, für eine normale Pfarrei ohnehin nicht geeignet war. Sein Urteil über die Bischöfe in Deutschland und Österreich, für die das Thema „Exorzismus“ offiziell überhaupt nicht existiert, ist eindeutig. Die Liturgiereform und das nach dem Zweiten Vatikanum reformierte Exorzismusritual kritisiert er als „schlechten Scherz“. Während im deutschsprachigen Raum die Exorzisten in den letzten vierzig Jahren in den Untergrund gedrängt wurden, boomt in Italien und den USA der Exorzismus, und so beruft sich „Spectator“ auch auf Papst Benedikt XVI., der die Ausbildung von Exorzisten fördert, obwohl vor allem die Medien diesem Thema sehr ablehnend gegenüberstehen. Ein Besuch in der Ewigen Stadt führt den Leser zwar nicht in den Vatikan, aber dafür zu einem kleinen Geschäft in der Via Gracchi, nicht weit vom Petersplatz gelegen. Hier erwartet den Besucher ein Sammelsurium aus Horrorfilmen, Devotionalien von Puppen und Masken über T-Shirts bis hin zu DVDs mit ungeschnittenen Filmraritäten, prächtigen Bildbänden und Fachbüchern. Das „Profondo Rosso“ gehört Dario Argento, dem berühmtesten Regisseur des modernen Horrorfilms, der als „Italo-Horror“ in den 1970er und 1980er Jahren Furore machte, und als Geschäftsführer wirkt Luigi Cozzi (Lewis Coates), ein weiterer berüchtigter Veteran des Italo-Horrors. Kontakt: Rokko’s Adventures. Pilgramgasse 8/20, A-1050 Wien. Das Einzelheft kostet 3 Euro, das Abo für drei Ausgaben 15 Euro. |