© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/11 10. Juni 2011 Haltungsnote Wer den Heiner-Geißler-Effekt noch nicht kennt, der kann ihn bei der CDU-Nachwuchsorganisation in Aachen studieren: Der Schatzmeister der Jungen Union Aachen, Marko Schultz, versuchte sich jüngst als „Querdenker“ zu inszenieren, indem er einen offenen Brief der Grünen Jugend gegen einen Sarrazin-Auftritt in der Mayerschen Buchhandlung Ende Mai 2011 in Aachen unterzeichnete. Die Zöglinge von Bündnis 90/Die Grünen protestierten damit öffentlich gegen Thilo Sarrazins „rassistische, antisemitische und sozialdarwinistische Thesen, die wissenschaftlich nicht haltbar sind.“ Wer soziale Fragen ethnisiere und biologisiere, verschleiere, daß Chancengleichheit nicht eine Frage der Gene, sondern der Sozial-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik ist, heißt es darin weiter. Als Unterzeichner befindet sich der ehemalige Marketing-Student, der 1980 in der vorpommerschen Hansestadt Demmin geboren wurde, in bester Gesellschaft. Für die Meinungsfreiheit „als ein höchstes Gut unserer Gesellschaft, dass (sic!) nicht als Deckmantel für Diskriminierung und Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen missbraucht werden darf“, paraphierten neben Schultz und der Grünen Jugend auch die Aachener Jungsozialisten (Jusos) und die Grüne Hochschulgruppe (GHG) Aachen. Schultz, der zugleich dem Parteivorstand der CDU im Stadtbezirk Aachen/Brand angehört, unterstellt damit, daß Sarrazin die Migrationsprobleme nicht auf einem „sachlichen, nüchternen und wertschätzenden Niveau“ erörtere. Seine Lesefrüchte des Sarrazinschen Plädoyers für den sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat dürften sich auf die der Kanzlerin beschränken. Nämlich: keine. „Was würde Jesus heute sagen“, fragte Heiner Geißler 2003 in einem Buchtitel. Er würde wohl betreten schweigen. |