© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/11 17. Juni 2011

Nicht unser Problem
Roma: Die Lage der Minderheit zu verbessern ist Sache ihrer Herkunftsländer
Andreas Mölzer

Während der jüngsten Plenarwoche des Europäischen Parlaments in Straßburg hatte ich die Gelegenheit, mit der ungarischen Staatssekretärin für Europafragen, Enikő Győri, im Plenum über die geplante Erweiterung des 25 Staaten umfassenden Schengen-Raumes zu diskutieren. Interessanterweise sprach sich die Vertreterin der amtierenden EU-Ratspräsidentschaft für eine rasche Erweiterung durch die Einbeziehung der jüngsten EU-Mitglieder Rumänien und Bulgarien aus. Dies ist insofern beachtlich, da das Kabinettsmitglied der rechten Fidesz-Regierung ja über die schon bestehenden Mängel bei der Sicherung der Außengrenzen Bescheid wissen muß, die uns angesichts der Flüchtlingswellen aus Nordafrika nochmals deutlich vor Augen geführt wurden. Selbst die EU-Kommission spricht von über 750.000 Personen, die alljährlich irregulär – der politisch-korrekte Sprachgebrauch für illegal – in die EU einreisen.

Zu diesen bestehenden Problemen kommt im Falle Bulgariens und Rumäniens noch die Roma-Problematik hinzu. Beide Länder beherbergen gemeinsam einen stattlichen Anteil der europäischen Roma-Bevölkerung, die auf zehn bis zwölf Millionen Menschen geschätzt wird. Nun ist es zwar korrekt, daß die Roma auch heute schon als EU-Bürger firmieren, ein gänzlicher Wegfall jeglicher Kontrollen an den Binnengrenzen der genannten Staaten würde jedoch zweifellos dazu führen, daß sich noch mehr von ihnen auf den Weg nach West- und Mitteleuropa machen.

Zusätzlich zu der ihrem Wesen und ihrer Kultur inhärenten Umstände und Probleme im Hinblick auf wirtschaftliche und soziale Integration hat sich die Situation der Roma in den östlichen und südöstlichen Mitgliedsstaaten der EU nach der Wende drastisch verschlechtert. Während zuvor eine relative Integration durch individuelle Möglichkeiten der Qualifizierung und Weiterbildung bestand und somit auch sozialen Aufstieg zur Folge hatte, war dies in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts nicht mehr in demselben Ausmaß gegeben.

Auch nach dem EU-Beitritt dieser Länder und den damit verbundenen finanziellen Zuwendungen verbesserte sich die Situation der Roma keineswegs. So folgten sie dem Beispiel von Zigtausenden Wirtschaftsmigranten aus aller Herren Länder und zogen gen Westen, um in die üppigen sozialen Sicherungssysteme der starken Unionsländer „einzuwandern“ und von ihnen zu profitieren. Oftmals hatten sie damit – dank der europäischen Gesetzgebung, die eine Ungleichbehandlung von EU-Bürgern untersagt – Erfolg. So sind in Österreich zahlreiche Fälle bekanntgeworden, in denen sich ungarische und rumänische Staatsbürger durch Angabe eines österreichischen Wohnsitzes die Auszahlung der Differenz zwischen eigener Pension im Heimatland und der österreichischen Mindestpension „erschwindelt“ haben.

Diese Möglichkeit des „Sozialtourismus“ kommt dem fahrenden Volk naturgemäß gelegen. Durch ihre mangelnde Fähigkeit der sozialen Integration gab es aber auch im Westen Europas immer wieder große Probleme. Man denke an die Konflikte und die darauffolgenden Ausweisungen der als „Rumänen“ bezeichneten kriminellen Roma aus Italien oder an die Abschiebungen aus Frankreich im vergangenen Jahr. Die Auflösung der illegalen Lager durch die Franzosen und die Rückführung der Roma in ihren herkömmlichen Lebensraum stieß naturgemäß auf heftige Kritik der politisch-korrekten Gutmenschen des EU-Establishments.

Dabei waren diese Aktionen jedoch nicht mehr als eine Notwehrmaßnahme gegen die völlig verfehlte europäische Politik der Antidiskriminierung, die jegliche notwendige Differenzierung verbietet und unmöglich macht. Es verwundert daher nicht, wenn die EU die Roma-Problematik verstärkt zum Thema macht und eine eigene „Roma-Strategie“ ausarbeiten möchte. So hat die ungarische Ratspräsidentschaft die soziale und wirtschaftliche Integration der Roma – in Zusammenarbeit mit den europäischen Institutionen und der „Zivilgesellschaft“ – zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben erklärt. Flankierend dazu veröffentlichte die Europäische Kommission im April 2011 eine Mitteilung unter dem Titel „EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma bis 2020“, deren Ziel es ist, aufeinander abgestimmte Instrumente für die Belange der Roma zu schaffen und Ressourcen zielgerichtet einzusetzen.

Zweifellos stellt die Bekämpfung von Armut, sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung der Roma-Minderheit ein wichtiges Anliegen dar. Jedoch muß dies vorrangig in jenen und durch jene Staaten geschehen, die starke Roma-Bevölkerungsanteile aufweisen. Die soziale und wirtschaftliche Integration der Roma soll aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den betreffenden Ländern durch deren Organe erfolgen. Dafür stehen schon jetzt nach Angaben der EU-Kommission mehrere Milliarden Euro jährlich bereit. Wenn die Union hier unbedingt tätig werden will, dann soll sie die südosteuropäischen Staaten in die Pflicht nehmen. Sie müssen das Problem mit den ihnen von der EU üppig zur Verfügung gestellten Mitteln rasch lösen.

 

Andreas Mölzer, FPÖ, ist seit 2004 Mitglied des Europäischen Parlaments.

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