© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/11 17. Juni 2011

„Es ist nicht unsere Fahne“
Baskenland: Mit ihrem Sieg bei den Regionalwahlen setzt die Bildu-Organisation Madrid unter Druck / Kampf um Ämter
Michael Ludwig

Juan Carlos Izagirre vermittelt nicht den Eindruck, daß er Bomben legt, Polizisten aus dem Hinterhalt erschießt oder Unternehmern eine Revolutionssteuer abpreßt. Der 47jährige Arzt wirkt mit seiner dunkel gefaßten Brille und dem jugendlichen Lächeln eher wie jemand, der bei den jüngsten spanischen Kommunal- und Landtagswahlen am 22. Mai eine der etablierten Parteien gewählt hat, doch in Wirklichkeit sind seine Ansichten alles andere als bürgerlich. Izagirre stellt sich für die radikale baskische Organisation Bildu zur Wahl und wird womöglich neuer Bürgermeister von San Sebastian.

In einem El-Pais-Interview gibt er Auskunft über das, was ihn und viele seiner Wähler von der übrigen Bevölkerung des Landes unterscheidet. Frage: „Werden Sie die spanische Fahne vor dem Rathaus entfernen?“ Antwort: „Für uns Verfechter der Unabhängigkeit ist die spanische Fahne ein fremdes Hoheitszeichen.“ „Verstecken Sie sie?“ Antwort: „Es ist nicht unsere Fahne.“

Izagirre gewann in San Sebastian mit 24,2 Prozent der Stimmen, Platz zwei  belegten die Sozialisten (PSE) mit 22,6 Prozent, gefolgt von den Konservativen der PP (18,6) und der PNV (17,9) als schärfster Rivalin von Bildu. Die PNV fährt ebenfalls einen bürgerlich-nationalistischen Kurs, lehnt Gewalt allerdings ab. Auch in anderen baskischen Städten sowie in der Provinz Navarra war Bildu erfolgreich – in 88 Rathäusern hat sie die absolute Mehrheit. Jeder dritte Wähler stimmte für Bildu.

Die sozialistische Regierung in Madrid sorgt sich nun, daß die Unabhängigkeitsbestrebungen der Unruheprovinz Auftrieb bekommen. Vizepräsident Alfredo Perez Rubalcaba, der neue starke Mann und künftige PSE-Präsidentschaftskandidat, ist davon überzeugt, daß die übergroße Mehrheit der Bildu-Wähler der Gewalt ablehnend gegenübersteht. Ob dies tatsächlich der Fall ist, bleibt dahingestellt. Bildu hat sich bislang noch nicht dazu entschließen können, die Gewalt der ETA zu verurteilen. Die Mehrheit der Spanier glaubt, daß Bildu der politische Arm von ETA ist. Den politisch konsequentesten Kurs gegen Bildu hat von Anfang an die konservative PP eingeschlagen, die jedes Gespräch mit dieser Gruppierung abgelehnt hat.

Um nun zu verhindern, daß Radikale wie Izagirre künftig Kommunen leiten, haben sich Sozialisten und Konservative im Baskenland zu einer Notgemeinschaft zusammengeschlossen. Sie vereinbarten, bei den Bürgermeister- und Landratswahlen einen gemeinsamen Kandidaten von PSE oder PP aufzustellen. Völlig unsicher ist dagegen das Verhalten der PNV, die nur ihre eigenen Kandidaten wählen will. Ob sie das durchhält, oder ob sie – wie PSE und PP argwöhnen – einer geheimen Abmachung gemäß doch mit Bildu gemeinsame Sache machen wird, wird sich zeigen.

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