© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/11 17. Juni 2011

Grüße aus Metz
Juvenil und kokett
Norbert Breuer-Pyroth

Zur Römerzeit hieß sie Dividurum, war im 6. Jahrhundert Residenz der Merowingerkönige, und unter diesen gar Hauptstadt von Austrasien, danach Freie Reichsstadt. 1552 kam sie an Frankreich.

Die Rede ist von Metz – der lothringischen Kapitale mit ihrer kolossalen Kathedrale St. Etienne (1220 bis 1520 erbaut), dem von Kaiser Wilhelm II. höchstpersönlich mitentworfenen, imposanten Bahnhof (1905 bis 1908) und dem prächtigen Deutschen Tor (1230).

Von 1870 bis 1918 und während des Zweiten Weltkriegs gehörte Metz zum Deutschen Reich. Es hat sich – nicht zuletzt unter der rekordverdächtig langen Ägide (1971–2008) seines aus Saargemünd gebürtigen, charismatischen Bürgermeisters Jean-Marie Rausch – vom Nachkriegsaschenputtel zu einer ebenso juvenil-koketten wie vornehmen Metropole des Saar-Lor-Lux-Raums gemausert. Die einladende Place Saint-Jacques nahe der Kathedrale bietet mit ihren Bistrots und Läden in diesen Tagen ein sommerliches, lebendiges Flair.

Am 11. Mai 2010 eröffnete das Pariser „Centre Georges Pompidou“ eine Dependance. Präsident Sarkozy kam zur Eröffnung. 800.000 Besucher wurden seitdem begrüßt – womit die Filiale sich bereits jetzt weltweit zu den meistbesuchten Museen hochkatapultierte.

En passant: Begibt man sich nach Metz, darf man schon lange nicht mehr erhoffen, mit der deutschen Sprache zurechtzukommen – es sei denn, Sie treffen Bürgermeister i.R. Rausch, der an der Place St. Jacques zuweilen seinen Café nimmt. Deutsch wurde vom französischen Staat nach dem Zweiten Weltkrieg systematisch ausgedörrt. Seine letzten deutschsprachigen Seiten hat das beherrschende regionale Printmedium Républicain Lorrain denn auch schon seit Dekaden getilgt.

 Doch gibt es im Departement Moselle seit geraumer Zeit verbissene Anstrengungen privater Initiativen, den deutschen Dialekt, das sogenannte „Francique mosellan“ (dem grenznahen Saarländischen sehr verwandt) wiederzubeleben, da er in den Status der „Großmuttersprache“ zurückgefallen ist und vom Aussterben bedroht scheint. Und die Universität Metz bietet vielsprachige Studiengänge an, unter denen das Deutsche bei den Studierenden einen merklichen Beliebtheitsgrad einnimmt. Was allerdings weniger an Goethe und Bach, sondern an „Tokio Hotel“ liegen mag, die Präsident Nicolas Sarkozy zeitgeistig zu seiner Inauguration eingeladen hatte.

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