© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/11 17. Juni 2011

Deutschland muß eine teure Austrittskarte lösen
Euro-Krise II: Kritiker des Europäischen Stabilitätsmechanismus und Dissidenten aus dem Bundestag debattieren Alternativen zur Währungsunion
Christian Dorn

Zuweilen entscheidet sich die Geschichte am anderen Ende der Straße, so geschehen am Donnerstag vergangener Woche. Während im Bundestag die Regierungsfraktionen einen Entschließungsantrag für weitere Milliarden zur Euro-Rettung vorbereiteten, versammelten sich echte Währungshüter einige Kilometer weiter im Hauptgebäude der TU Berlin. Auf Einladung des Wirtschaftsjuristen Markus Kerber, der eine Klage gegen die Griechenland-Kredite und das Transfermodell des Euro-Stabilitätsmechanismus (ESM) eingereicht hat, wurden Alternativen zum „Europäischen Stabilitätsmechanismus“ diskutiert. Konträr zur Mehrheitsmeinung im Bundestag waren die Referate und Grußbotschaften der Abgeordneten Frank Schäffler (FDP), Klaus-Peter Willsch (CDU) und Thomas Silberhorn (CSU). Letzterer schlußfolgerte aus den Planungen für weitere Finanzhilfen: „In jedem Fall gibt es Geldvernichtung.“ Deshalb sei ein Ende mit Schrecken einem Schrecken ohne Ende vorzuziehen. Die Finanzhilfen an Griechenland seien schuld daran, daß sich die Spekulanten „dumm und dämlich verdienen“. Die Absurdität der Situation zeige sich am Zinsverhältnis: Während Griechenland Geld zum verbilligten Satz von etwa fünf Prozent erhalte, habe es für seine Anleihen Renditen von acht bis neun Prozent, teilweise von 25 Prozent zu zahlen. Wollte Griechenland eines Tages die Schulden zurückzahlen, müßte es dauerhaft ein jährliches Wirtschaftswachstum von zehn Prozent aufweisen. Da dies illusorisch sei, werde über kurz oder lang eine Umschuldung anstehen. Deshalb brauche es jetzt „die Kraft, den Geldhahn auch wieder zuzudrehen“ , so der CSU-Abgeordnete. „Wir haben das Heft in der Hand, denn ohne Deutschland läuft hier nichts.“

Für Hans-Olaf Henkel, der die sogenannte Alternativlosigkeit der bisher betriebenen „Euro-Rettung“ attackiert, klingen bereits diese Ausführungen zu optimistisch. Denn eine Umschuldung („haircut“) könne schon dem Wesen nach keine Lösung sein: „Wenn ich das mache, zum Friseur gehe, muß ich sechs Wochen später wieder hin.“ Schließlich sei Griechenland bereits heute zahlungsunfähig. Selbst wenn man ihm alle Schulden erlassen würde, wäre es als erstes darauf angewiesen, sich erneut Geld zu borgen. Vor diesem Hintergrund plädierte Henkel abermals für das von ihm verfochtene Modell eines Süd- und Nord-Euros (JF 22/11).

 „Unter vier Augen“, so Henkel, gäben die Politiker ihm mit Blick auf die bisherigen Fehler in der Währungspolitik immer recht – um mit dem Satz zu schließen: „Aber nun lassen Sie uns doch nach vorne blicken.“ Als Ergebnis dieser unehrlichen Politik würden derzeit „Therapien verschrieben ohne Diagnose und ohne Prognose“. Die Notwendigkeit unterschiedlicher Zinssätze ergebe sich schon aus den quasi von Natur gegebenen „unterschiedlichen Wirtschaftskulturen“. Aufgrund der sich abzeichnenden Transferunion, so Henkel weiter, gehe man in Amerika bereits vom Ende der europäischen Gemeinschaftswährung aus. Zwar konzediert auch der einstige BDI-Chef, daß es kein Patentrezept als Alternative zum gegenwärtigen Kurs gebe. Doch sei es verantwortungslos, diese Entwicklung als alternativlos anzusehen.

Ein Ausweg wäre der Austritt oder aber der Ausschluß Griechenlands mit der Begründung, daß sich Athen den Euro-Beitritt erschlichen habe. Eine Alternative wäre, daß Deutschland mit anderen Geberländern den Euro-Raum verläßt. Ein positiver Effekt wäre dann die Abwertung des Euro, wodurch Griechenland wieder wettbewerbsfähiger würde. Deutschlands Währung hingegen würde – ähnlich dem Schweizer Franken – einem Aufwertungsdruck ausgesetzt sein. Dies sei aber bei der Deutschen Mark genauso gewesen, was die deutsche Wirtschaft jeweils zu einer höheren Effizienz gezwungen habe.

Dem stünde aber das Mantra der Bundeskanzlerin entgegen: „Der Euro ist unser Schicksal“. Dies sei das Argument, mit dem man ihm immer komme: „Aber Herr Henkel, wir haben jetzt 70 Jahre Frieden in Europa.“ Eine solche Haltung sei „extrem verantwortungslos“. Die Geschichte habe immer gezeigt, daß bei Zwang Fliehkräfte einsetzten. Schon heute würde Angela Merkel diese befördern, etwa wenn sie von den Portugiesen verlangt, mehr zu sparen, oder von Griechenland fordert, mehr zu privatisieren. Das Ergebnis solcher Politik zeige Folgen: War Deutschland vor Einführung des Euro die beliebteste Nation in Griechenland, sei es heute genau umgekehrt. Gleiches gelte in der Beziehung zu Frankreich: Da dessen Banken in Griechenland besonders engagiert seien, würde eine Umschuldung oder – wie von Wolfgang Schäuble forciert – eine Beteiligung von privater Seite gerade das Gegenteil bewirken und das deutsch-französische Bündnis weiter entzweien.

Zu den absurden Folgen des Euro-Beitritts von Spanien zählt Henkel das Schicksal von Hochtief. Das deutsche Bauunternehmen „wäre nie in spanische Hände geraten, wenn wir einen Nord- und Süd-Euro hätten“. So aber ginge es weiter in den Abgrund: „Am Schluß des derzeitigen Weges, der Salamitaktik von Herrn Schäuble, steht der Euro-Bond“, also EU-Staatsanleihen – sprich: vergemeinschaftete Schulden. Um weitere Verluste zu vermeiden, müsse Deutschland sich emanzipieren. Henkel wörtlich: „Wir kommen da nur raus mit einer ordentlich teuren Austrittskarte. Die müssen wir lösen, um wieder unser eigener Herr zu sein.“

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