© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/11 24. Juni 2011

Burgfrieden in Eisenach
Verbindungen: Burschenschaften legen Streit um Aufnahmekriterien vorläufig bei
Franz Glaser

Unter dem Eindruck einer großangelegten medialen Berichterstattung ist am vergangenen Wochenende der diesjährige Burschentag in Eisenach über die Bühne gegangen. Gut 100 Mitgliedsverbindungen der Deutschen Burschenschaft (DB) hatten sich zu den Verhandlungen in der Werner-Aßmann-Halle eingefunden. Im Vorfeld hatten ein Gutachten des Rechtsausschußes sowie zwei Anträge der Bonner Raczeks zu heftigen Debatten innerhalb des Verbands und in der Öffentlichkeit geführt (JF 24/11).

Doch zum großen Knall kam es während der Tagung nicht. Denn im Vorfeld war durchgesickert, daß der Rechtsausschuß – eine Art Verfassungskontrollgremium der DB – ein neues Gutachten veröffentlichen würde. Die nun geltende Regelung – so teilte DB-Sprecher Stefan Dobner mit – sei wesentlich liberaler als die, der der Rechtsausschuß zuvor erlassen hatte. Demnach ist der für die Burschenschaft bei der Aufnahme neuer Mitglieder maßgebliche volkstumsbezogene Vaterlandsbegriff nicht ausschließlich mit der Abstammung des Bewerbers zu belegen. Die veränderte Interpretation ist damit zu erklären, daß sich der Rechtsausschuß seit Jahresbeginn personell verändert hat. Mit seiner neuen Entscheidung hat sich die DB auch für assimilierte Einwandererkinder geöffnet.

Neben den Diskussionen um Entscheidungen des Rechtsausschusses hatte sich vor allem Streit um die Mitgliedschaft des Mannheimer Burschenschaftes Kai Min Au entzündet. Das Kind chinesischer Eltern stand im Mittelpunkt des medialen Interesses. Zahlreiche Fotografen begleiteten den 26jährigen während der Verhandlungen, bei Spiegel Online erschien ein großes Interview mit dem Reserveoffizier. „Er ist das Gesicht des diesjährigen Burschentags“, formulierte es ein Tagungsteilnehmer. Eine Tatsache, die offenkundig nicht jedem gefiel. Zwar zogen die Bonner Raczeks ihre Anträge, unter anderem den, mit dem die Burschenschaft Hansea Mannheim ausgeschlossen werde sollte, zurück.

Doch die Wogen haben sich nur vordergründig geglättet. Vor allem die Mitgliedsverbindungen innerhalb der Burschenschaftlichen Gemeinschaft, der größten DB-internen Interessenvertretung, opponieren gegen das neue Gutachten des Rechtsausschusses. Die BG, die den rechten Verbandsflügel repräsentiert, argumentiert damit, daß in Zeiten der Überfremdung Deutschlands die Abstammung der Mitglieder von elementarer Bedeutung für den Verband sei. Die BG stellt derzeit mehr als ein Drittel der stimmberechtigten Mitgliedsbünde der DB, in ihr vereinen sich auch alle österreichischen Verbandsmitgliedschaften. Der größte verbands-interne Gegenspieler ist das mitgliederstarke Kartell um die liberal-konservative Burschenschaft Hilaritas Stuttgart. Vertreter beider Seiten äußern sich intern skeptisch über die Zukunftsfähigkeit des derzeit noch rund 10.000 Mitglieder starken Dachverbandes. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß vor allem die österreichischen Mitgliedsbünde durch ihre starke personelle Verzahnung mit der FPÖ eine ganz andere gesellschaftliche Stellung haben als die Bünde auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Insofern treten die österreichischen Bünde selbstbewußter und politisch fordernder auf. Bei den Bünden vor allem in Westdeutschland wird dagegen die Befürchtung geäußert, Anträge wie die der Razceks könnten dazu geeignet sein, den Verfassungsschutz auf den Plan zu rufen. Dies würde die ohnehin problematische gesellschaftliche Stellung weiter erschweren.

Zum Eklat kam es schließlich am Samstag abend. Bis auf wenige Ausnahmen verweigerten die Mitgliedsbünde der Burschenschaftlichen Gemeinschaft das Chargieren auf dem Kommers, weil der Mannheimer Burschenschafter Kai Min Au für seinen Bund im Präsidium saß. Der Eisenacher Oberbürgermeister Matthias Doht (SPD), der der Versammlung in diesem Jahr fernblieb, dürfte davon ebenso wenig mitbekommen haben, wie das kümmerliche Häuflein von linken Gegendemonstranten, die am Samstag mittag vor allem pöbelnd in Erscheinung traten. Am Sonntag morgen kehrte in der Wartburgstadt wieder Ruhe ein, die Deutsche Burschenschaft dürfte ihre große Exisenzkrise allerdings noch lange nicht ausgestanden haben.

 

Angriffe auf Verbindungen

6. Juni: Unbekannte werfen Steine gegen das Haus der Berliner Landsmannschaft Spandovia.

9. Juni: Gegen 3.30 Uhr fliegen Farbflaschen gegen das Haus der Berliner Landsmannschaft Thuringia.

15. Juni: Unbekannte setzen vor dem Haus der Marburger Burschenschaft Alemannia Mülltonen in Brand. Die schlafenden Mitglieder kommen mit dem Schrecken davon.

15. Juni: Durch Steinwürfe wird ebenfalls in Marburg die Eingangstür der Burschenschaft Rheinfranken beschädigt.

17. Juni: In Jena werden zwei Verbindungshäuser mit Steinen angegriffen. Mehrere Fensterscheiben gehen zu Bruch. Auf dem Universitätsgelände wird das Denkmal der Urburschenschaft mit Farbe beschmiert. „Wer ein homophobes, revisionistisches und nationalistisches Weltbild verbreitet, der hat nichts anderes als Steinschlag und Mützenklau verdient“, heißt es in einem Bekennerschreiben.

Foto: Burschenschafter in Eisenach: Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des Dachverbandes

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