© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/11 01. Juli 2011

Kampf um den Euro
Wer spricht für die deutsche Wirtschaft?
Dieter Stein

Wir erleben in diesen Tagen den Endkampf um die europäische Einheitswährung. Welche großen Machtgruppen dabei ihre Interessen auf dem Spiel stehen sehen, konnte an einer in der vergangenen Woche in deutschen und französischen Zeitungen veröffentlichten ganzseitigen Anzeige abgelesen werden. Fünfzig Chefs der größten Aktiengesellschaften aus beiden Ländern appellieren dort flehentlich an die Politik, die Einheitswährung nicht baden gehen zu lassen. Man solle nicht „populistischen Forderungen“ nachgeben; eine Teilung der Euro-Zone, wie sie beispielsweise der ehemalige BDI-Chef Hans-Olaf Henkel fordert, wird ausdrücklich zurückgewiesen.

In der Anzeige wird in fast obszöner Offenheit hervorgehoben, daß die Rettung des Euro („Rückkehr zu stabilen finanziellen Verhältnissen“) noch „viele Milliarden Euro kosten“ wird. Wer jedoch für die „vielen Milliarden Euro“ aufkommen soll, wird geflissentlich verschwiegen: Jedenfalls nicht die für die Anzeige verantwortlichen Manager der Deutschen Bank, der Allianz, von Daimler oder BMW. Mit der Anzeige demonstrieren Konzernbosse, wie weit sie sich von der Realität – und der Marktwirtschaft – entfernt haben. Der Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft, Walter Eucken, hatte gewarnt, es komme „bei fehlender Haftung zu Exzessen und Zügellosigkeit“. Das erleben wir jetzt.

Die verantwortungslose Verzögerung der Staatspleite Griechenlands hat es privaten Gläubigern wie Allianz und Deutscher Bank erst ermöglicht, ihre spekulativen Griechenlandanleihen risikolos an die Europäische Zentralbank abzugeben. Eine am Montag veröffentlichte „Berliner Erklärung“ macht nun deutlich, daß die Dax-Bosse nicht für die deutsche Wirtschaft sprechen: Hundert Inhaber von Familienunternehmen (siehe Dokumentation auf Seite 12) beziehen eine diametral entgegengesetzte Position. Sie sprechen von einem „verhängnisvollen Weg“, der mit der Euro-Rettung beschritten wurde, und fordern eine Abkehr vom Weg in die Transferunion sowie ein Ende der „verantwortungslosen Schuldenpolitik Deutschlands“. Eine Ohrfeige für die Bundesregierung.

Die „Berliner Erklärung“ macht deutlich, wer den vitalen Kern der deutschen Wirtschaft repräsentiert. Warum kommen die Chefs dieser oft in Generationen aufgebauten, inhabergeführten Unternehmen zu so nüchternen marktwirtschaftlichen Schlüssen und weshalb plädieren die Sprecher großer, international operierender Aktiengesellschaften für eine derart verantwortungslose, antimarktwirtschaftliche Politik? Weil letztere eben für ihre Entscheidungen nicht persönlich mit ihrem Vermögen haften. Es sind angestellte Manager. Es war deshalb höchste Zeit, daß sich der für marktwirtschaftliche Solidität und Vernunft stehende Mittelstand selbstbewußt zu Wort meldet. 

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