© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/11 01. Juli 2011

Normal ist das nicht
Pädagogik: Homosexualisierung hat im Unterricht nichts verloren
Ellen Kositza

Deutschlands Schulen ächzen. Was tun mit der Masse an Schulabbrechern? Wohin mit den lernunwilligen Jugendlichen aus schwierigen familiären Verhältnissen, die, wenn sie nicht fehlen, den Unterricht nur stören? Woher Geld und Kräfte nehmen, Ausländerkindern die deutsche Sprache soweit beizubringen, daß sie dem Lehrer wenigstens potentiell folgen können? Wie vor lauter Alltagskalamitäten den Stoff noch passabel unterbringen?

Gerade in Berlin herrscht unter der Lehrerschaft eine verzweifelte Stimmung. Da paßt es wie die Faust aufs Auge, daß sich nach dem Willen von Bildungssenator Jürgen Zöllner Lehrer und Schüler nun auch noch an vertrackten Problemstellungen zur sexuellen Identität abarbeiten sollen. Per „Medienkoffer“ mit bunten Büchern und coolen Comics soll bereits den Allerkleinsten vermittelt werden, daß sexuelle Aberrationen „normal“ sind und „wie es ist, wenn man nicht genau weiß, ob man männlich oder weiblich ist“.

Die akademische Nischendisziplin „Gender“ erhält hier eine breite, unbespielte Bühne unter dem Motto: „Geschlecht ist, was ihr draus macht.“ Eine brandneue Entwicklung ist es nicht, daß derartige homophile Projekte in die Schule hereingetragen werden (JF 43/05, 28/07 und 9/10). Ähnliche Lehrempfehlungen stehen für andere Bundesländer schon länger bereit, allein: Breite Empörung seitens der Öffentlichkeit blieb aus. Um so erstaunlicher, daß die Berliner Boulevardzeitung B.Z. diese Initiative im Rahmen eines vor Jahren beschlossenen, millionenschwer ausgestatteten Großprojekts nun noch einmal in die Schlagzeilen brachte.

Cornelia Kempe-Schälicke – als Koordinatorin der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung eine der Ansprechpartnerinnen des homophilen Projekts – ruderte bereits zurück, indem sie behauptete, daß „nicht alles so gesagt wurde, wie es gedruckt steht“. Mancher mag auch zur Beschwichtigung anführen, alle diese Vorschläge seien so absurd, „daß sie von allen halbwegs vernunftbegabten Kindererzieherinnen, Lehrern und Eltern zumindest mit stillem Protest zurückgewiesen“ werden und staatliche Propaganda daher in diesem Fall zum Scheitern verurteilt sei, wie in einem konservativen Internetblog zu lesen war.

Eben diese Hoffnung – daß mit demGrad der Absurdität der Thesen deren allgemeine Zurückweisung wahrscheinlicher werde – ist trügerisch.

Jedwede Umerziehung nutzt diese beiden Kanäle: den der staatlichen Verordnung und den durch die Hintertür. Letztere ist längst weit offen, eine homosexuelle Subkultur spielt seit Jahrzehnten (man denke an uralte Bands wie Erasure, The Communards, Pet Shop Boys) in den höchsten Ligen der populären Unterhaltungswelt, Schauspieler, Moderatoren und Politiker, die sich zu ihren gleichgeschlechtlichen Neigungen bekennen, sind Alltagserscheinungen. Die angebliche Normalität des Unnormalen ist durchgedrungen, und zwar so weit, daß abwegige sexuelle Präferenzen längst offen kultiviert werden.

Nicht die Neigung – seit Menschheitsgedenken unter sämtlichen Säugetieren schwach verbreitet – ist das Problem, sondern der Kult, der den Makel in eine Ehrbezeichung wenden soll. Daß abweichendes sexuelles Verhalten nun programmatisch durch die Autorität des Lehrers an die Kleinen „vor dem Kicheralter“ herangeführt werden soll, ist mehr als das schmückende Tüpfelchen auf dem i. Wie soll man sich das „Zurückweisen mit stillem Protest“ vorstellen?

Eine altgediente Grundschullehrerin, 63 Jahre, „stockkonservativ“ gemäß Selbstverständnis, sieht in ihrem Aufklärungsunterricht seit vielen Jahren auch eine Lektion vor, in der den Schülern an einem Knüppel demonstriert wird, wie ein Kondom überzuziehen ist. Einerseits, sagt sie, habe sie auch Skrupel gehabt, als solch intime Methoden schulisch eingeführt wurden. Andererseits: Erstens sei sie Beamtin, als solche habe ihre persönliche Meinung  zurückzustehen. Zweitens schätze sie den schulischen Aufklärungsunterricht deshalb, weil das ein Thema sei, bei dem stets die ganze Klasse hochaufmerksam und „mucksmäuschenstill“ sei. „Was ich denen dann beizubringen versuche – die Kondomsache ist ja nur eine Sequenz –, das saugen die so richtig auf.“ Und drittens: Selbst, wo für sie persönlich der Zusammenhang zwischen Sexualität und Fortpflanzung im Vordergrund stehe, wolle sie ihr Scherflein dazu beitragen, daß es in der jeweiligen Klasse später zu keiner Teenager-Schwangerschaft oder einer Abtreibung aus Unwissen komme. „Ich bin nicht so aufgewachsen, mir selbst hat diese Art Aufklärung nie gefehlt. Aber die Zeiten ändern sich eben. Da muß man mit.“

Zahlreiche Lehrer werden die analoge Argumentation, nicht für Mobbing oder Depression eines inter-, trans- oder bisexuellen Schülers verantwortlich sein zu wollen, kaum von der Hand weisen. Und so wird bereits da aufgeklärt, werden „Optionen“ aufgezeigt, wo das sexuelle Triebleben der kindlichen Adressaten noch im Dämmerschlaf liegt. Ein umfassendes „Entsetzen“ über die Berliner Initiative ist bereits jetzt keineswegs der durchgehende Grundton. In zahlreichen Leserkommentaren anderer Foren wird die pädagogische Toleranzmischmaschine begrüßt und Skeptiker als verklemmte „Ewiggestrige“ verspottet.

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