© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/11 01. Juli 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Genosse Papstkritiker
Marcus Schmidt

Manchmal ist der politische Frontverlauf ziemlich verwirrend. Etwa wenn der thüringische Linkspartei-Politiker Bodo Ramelow den SPD-Bundestagsabgeordneten Rolf Schwanitz ermahnt, Papst Benedikt XVI. müsse bei seinem Deutschlandbesuch im September die Höflichkeit entgegengebracht werden, „die man auch anderen entgegenbringt“.

Auch wenn Ramelow so etwas wie der Vorzeigechrist der Sozialisten ist, kam die deutliche Parteinahme für den Papst Anfang der Woche dann doch überraschend. Zuvor hatte Schwanitz eine Resolution an die SPD-Abgeordneten verschickt, in der diese aufgefordert werden, die geplante Rede des Papstes am 22. September vor dem deutschen Parlament zu boykottieren. Schwanitz und seine Mitstreiter haben schweres Geschütz aufgefahren, um ihr Ansinnen zu begründen. So werfen sie dem Papst „Missionierung“ und eine Mitschuld an der Unterdrückung von Millionen Menschen vor, zitiert die Rheinische Post aus dem Schreiben. Die Rede des Kirchenoberhauptes sei mit dem „Grundsatz der religiösen Neutralität des Staates unvereinbar“, der Bundestag werde als „schmückendes Beiwerk“ mißbraucht, heißt es weiter. Mit dem Papst werde zudem zum ersten Mal ein Gast an das Rednerpult treten, der die „Mehrheit der Deutschen für verdammungswürdig hält“. Mehr als zwei Drittel der Deutschen, die sich gegen den katholischen Glauben entschieden hätten, würden „stigmatisiert“. Mit seiner Auffassung, etwa zu Frauenrechten und Empfängnisverhütung, trage Benedikt XVI. eine Mitschuld „an der bisher global nicht gestoppten Aids-Epedemie sowie an der Unterdrückung, Ausbeutung und Stigmatisierung von Millionen Menschen“, zitiert das Blatt weiter.

In der SPD ist man über diese Ausfälle entsetzt. Die kirchenpolitische Sprecherin der Partei, Kerstin Griese, widersprach ihrem Genossen Schwanitz prompt und bezeichnete dessen Brief als „unglücklich“ formuliert. Zudem versuchte sie in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung den Eindruck zu zerstreuen, hinter Schwanitz stehe die Mehrheit der SPD-Fraktion. Es ist übrigens nicht das erstemal, daß die SPD-Laizisten ihrer Partei Kummer bereiten. Im vergangenen Jahr hatten die kirchenkritischen Sozialdemokraten, ausgerechnet auch noch im Willy-Brandt-Haus, die Gründung eines Arbeitskreises vorbereitet. Die SPD-Führung unter Parteichef Sigmar Gabriel, die um ihr gutes Verhältnis zu den Kirchen fürchtete, zog indes die Notbremse und verweigerte den Laizisten den offiziellen Segen des Vorstandes.

Derweil sorgen auch die Äußerungen Bodo Ramelows für Kopfschütteln. So mancher Abgeordnete erinnert sich noch an die Rede des amerikanischen Präsidenten George W. Bush vor dem Bundestag im Jahr 2002. Damals hatten einige Abgeordneten die Rede des Staatsgastes gestört und ein Transparent mit der Aufschrift „Mr. Bush + Mr. Schröder: Stop your wars!“ Die Parlamentarier waren Mitglieder der PDS-Fraktion, der Vorgängerpartei der Linken. Vielleicht hatte Ramelow das einfach nur vergessen.

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