© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/11 01. Juli 2011

Volksvertreter, hört die Signale
Euro-Krise: Mittelständler widersprechen deutschen und französischen Konzernlenkern
Jörg Fischer/ Moritz Schwarz

Unter dem Titel „Der Euro ist notwendig“ schalteten vergangene Woche Konzernchefs aus Deutschland und Frankreich – von Frank Appel (Deutsche Post) über François Henrot (Rothschild) und Frédéric Oudéa (Société Générale) bis zu Dieter Zetsche (Daimler) – ganzseitige Anzeigen in deutschen und französischen Tageszeitungen.

„Die Rückkehr zu stabilen finanziellen Verhältnissen wird viele Milliarden Euro kosten, aber die Europäische Union und unsere gemeinsame Währung sind diesen Einsatz allemal wert“, behaupten die 50 Topmanager. „Vorschläge, wie etwa der Ausschluß von Mitgliedsländern oder die Teilung der Gemeinschaft in eine Nord- und Südunion sind der falsche Weg“, heißt es weiter in der Anzeige, der laut Süddeutscher Zeitung „einschlägige Kontakte mit dem Kanzleramt“ vorausgegangen sind. „Eine ernsthafte Alternative zum gemeinsamen Euro gibt es nicht“, so die Initiatoren, „hiervon müssen wir unsere Mitbürger überzeugen“.

Ähnlich argumentierten Helmut Schmidt, Wolfgang Schäuble und Peer Steinbrück in der Zeit. „In jedem Fall wird das Geld der Steuerzahler gebraucht“, meint der Altkanzler. Griechenland müsse „durchgreifend geholfen werden“, es sei „das Mutterland der Demokratie“. Der Euro und die Einbindung Deutschlands in die EU seien „das grundlegende deutsche Interesse“. Der Bundesfinanzminister behauptete, „den größten Vorteil von der Währungsunion hat Deutschland“. Sein Vorvorgänger verlangt sogar unverblümt „Eurobonds“ – sprich: statt einer nationalen künftig eine gemeinsame Kreditaufnahme der Euro-Länder. Deutschland muß dann mit seiner AAA-Bonität für die billige Staatsschuldenfinanzierung der klammen Euro-Partner haften.

Einhundert deutsche Mittelständler wiedersprechen in ihrer „Berliner Erklärung der Familienunternehmen zur Krise des Euro“ vehement den Thesen der angestellten Unternehmensführer und der Politiker: „Die Währungsunion muß auf eine neue Grundlage gestellt werden. Austritt und Ausschluß müssen möglich werden“, fordern die Familienunternehmer, zu denen so bekannte Firmen wie Brandt Zwieback, Kathrein, Trigema oder Würth gehören.

Die Bundesregierung habe mit ihrer Euro-Rettungsschirm-Politik einen „verhängnisvollen Weg eingeschlagen“. Die Haushaltsrisiken seien unabsehbar geworden, sie stiegen mit dem vorgesehenen dauerhaften Rettungsschirm ESM auf 190 Milliarden Euro: „Damit nimmt die Bundesrepublik Eventualverbindlichkeiten in Kauf, die gut einem Drittel aller jährlichen Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden entsprechen.“ Hinzu kämen die drohenden Milliardenverluste bei der Europäischen Zentralbank (EZB).

Auch Thomas Hoyer, Geschäftsführer der Hamburger Fachspedition Hoyer, hat die „Berliner Erklärung“ unterzeichnet, denn „die Entwicklung geht in die falsche Richtung“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. Wie Helmut Schmidt begrüße er die friedensstiftende Einigung Europas. Und zunächst habe er auch die Euro-Einführung für richtig gehalten, sie habe in der Tat Vorteile für international agierende Unternehmen gebracht.

Doch inzwischen sei offensichtlich, daß die Nachteile des Euro seine Vorteile überwiegen. Die Idee, so unterschiedlichen europäischen Ländern eine gemeinsame Währung überzustülpen, habe nicht funktioniert: „Der Euro spaltet inzwischen mehr, als er eint“, bedauert Hoyer. Die Europäische Währungsunion sei zu einer Transferunion geworden.

„Griechenland hat kein Programm, die Verschuldung wird weitergehen.“ Griechenland sei technisch insolvent, bei dem unausweichlichen „Haircut“ müsse man Milliarden abschreiben, „ansonsten schieben wir die Probleme nur weiter hinaus“. Er plädiere – wie Hans-Olaf Henkel – für die Aufteilung der Euro-Zone: „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!“

Auch Henkel selbst lobt die Initiative der Familienunternehmer: Diese sei nicht nur repräsentativer, „sie ist auch ehrlicher als die der Vertreter des Vorstandskapitalismus“, sagte der frühere BDI-Präsident der JF. Der Euro sei auch „keine Erfolgsgeschichte“, wie die 50 Konzernchefs behaupten, denn „alle Stabilitätszusagen, die uns die Politik im Gegenzug für die Aufgabe der D-Mark gegeben hatte, sind gebrochen worden, so Henkel. „Das Festhalten am Einheitseuro, koste es was es wolle, ist zu einem Symbol deutscher politischer Korrektheit verkommen.“ Dazu gehörten Denkverbote, der Begriff „alternativlos“ und das Beschwören von Schreckensszenarien.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian Hirte gehört zu den wenigen Parlamentariern im Regierungslager, die die sogenannte Euro-Rettung kritisch hinterfragen. „Die Erklärung der Familienunternehmer kann ich in Teilen verstehen“, sagt der Fachanwalt für Steuerrecht. „In den vergangenen Monaten hat sich gezeigt, daß neue Kredite und Bürgschaften nicht geholfen haben, die Probleme zu lösen.“ Das „Zeiteinkaufen“ habe nichts bewirkt: „Statt dessen wachsen die Staatsschulden weiter und die Chance auf Rückzahlung wird geringer.“

Hirte plädiert dennoch für Solidarität – in Europa wie auch innerhalb Deutschlands. „Jedoch halte ich es auch für eine Frage der Gerechtigkeit, nicht wie bisher weiterzumachen. Immer neue Kredite oder Bürgschaften sichern die hohen Zinsen einzelner Investoren ab. Wir subventionieren mit Steuern das riskante Geldjonglieren einzelner“, so der thüringische CDU-Politiker. „Ich bin überhaupt nicht dagegen, unseren europäischen Partnern und Freunden zu helfen. Aber es muß doch absehbar sein, daß es mit Hilfen besser wird.“ Nötig wäre ein „Marshallplan, der strukturelle Verbesserungen bringt – mit weniger Staat und bürokratischem Ballast.“

Fotos: Diskussion um die Zukunft der Europäischen Währungsunion: „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!“; Anzeige der Konzerne: „Mitbürger überzeugen“

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