© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/11 01. Juli 2011

Pankraz,
der Fußball und der Schauspieler Mann

Männer spielen besser Fußball als Frauen.“ Von diesem Urteil ließen sich eingefleischte Fußballfans bisher nicht abbringen. Doch jetzt kommt für sie Unheilskunde aus der Technischen Universität München. Ein Forscherteam will dort herausgefunden haben, daß die Männer nur so tun, als spielten sie besser; in Wirklichkeit schauspielern sie nur, so die Münchner. Sie bewegen sich pathetischer, bleiben nach Anrempeleien länger liegen, schlagen nach erzieltem Torerfolg mehr Freudenpurzelbäume.

Pankraz mag es kaum glauben. Sind es nicht die Frauen, die üblicherweise mehr Schein verbreiten als Sein, die „outrieren“, d.h. einem feststehenden Regelwerk, wenn irgend möglich, individuelle Farben verleihen, Anmut und Form? Frauen sind die besseren Schauspieler – warum sollte das ausgerechnet beim Fußball anders sein? Der Münchner Forschungsbericht, den Pankraz am liebsten zwischen Gänsefüßchen setzen würde („Forschungsbericht“), riecht seiner Meinung nach intensiv nach Bestellung, nach Zeitgeist. Man hat herausgekriegt, was man vorher hineingesteckt hatte.

Der deutsche Frauenfußball befindet sich bekanntlich mächtig im Aufwind, und die Beteiligten fühlen sich von den Medien zu wenig wahrgenommen. Auch die gutgemeintesten Reportagen haben alle etwas spontan Herablassendes, so als wollten die Reporter sagen: „Mädchen, das ist ja alles durchaus eindrucksvoll, was ihr da macht, sehr sexy, aber richtiger Fußball ist es trotzdem nicht.“ Dagegen also soll jetzt vorgegangen werden. Es soll endlich wissenschaftlich nachgewiesen werden, daß der Frauenfußball der ehrlichere, schnörkellosere, in sich logischere ist.

Sei dem nun aber so oder auch nicht – das den männlichen Fußballern attestierte „Schauspielern“ findet Pankraz überhaupt nicht irgendwie fußballfremd, unzugehörig oder gar regelwidrig. Fußball ist, bei aller Regelhaftigkeit, ein Spiel, so wie das Schachspiel oder wenn Kinder mit der Modelleisenbahn spielen. Und das Schauelement gehört wesentlich zu jedem Erwachsenenspiel dazu. Wenn Erwachsene spielen, verwandeln sie sich momentweise in Kinder, treten aus der Sphäre des Notwendigen (Arbeitswelt, Politik usw.) in die Sphäre der Freiheit, ihr Tun hat „nur noch“ Unterhaltungswert.

Das ändert sich auch nicht durch die moderne Kommerzialisierung und Profitgier des Sports, eher im Gegenteil. Die Sportler unterhalten ja nicht nur sich selbst, sondern auch ein leidenschaftlich teilnehmendes Publikum, das sich im Zeichen der Moderne zu ungeheuren, weltweit vernetzten Zuschauermassen ausgeweitet hat. Den Massen muß etwas geboten werden, sie sind nicht mit bloßer Logik von Sieg oder Niederlage zufriedenzustellen, sie wollen Farbe, Pathos, Minidramen im Rahmen des großen Generaldramas. Und genau das liefern ihnen die – männlichen – Fußballstars.

Wenn die Forscher von der Münchner TU den Frauen bescheinigen, daß sie den „sachlicheren“, weniger „gespielten“  Fußball abliefern, so bescheinigen sie ihnen in Wahrheit, daß sie das Spiel aufheben, es zum Verschwinden bringen, es in einen anmutigen Reigen mit Balldurchgang verwandeln. Fußballspiel aber ist kein Ringelpiez mit gelegentlichem Anfassen, es ist Kampf und Schweiß, oft auch wüstes Dazwischengrätschen, dribbelndes Täuschen und hinterhältiges So-tun-als-ob. Genau dieses Schwitzen und Grätschen und Fallenstellen wollen die Massen sehen.

Zwar gibt es Schiedsrichter, die penibel darauf achten, daß nichts ausartet, aber Verletzungen, auch schwere Verletzungen im Gesicht und an der Schönheit, bittere Zusammenstöße von Einzelkämpfern, die gewaltsam voneinander getrennt werden müssen, wüste „Ungerechtigkeiten“, wo sich dann auch die Zuschauermassen einmischen und die Szene in ein einziges Tohuwabohu verwandeln – all das ist Fußball und soll es im Grunde auch sein. Es ist ein hartes Spiel, das seine Parallelen auf dem Theater in den grausamsten Spektakeln findet. In Shakespeares „Richard III.“ etwa oder in Kleists „Hermannsschlacht“.

Frauenfußball von vergleichbarer Härte hätte seine Theaterparallele wohl allenfalls in Kleists „Penthesilea“, wo die Amazonenweiber zu zähnefletschenden Bestien werden, die ihre Gegenspieler mit Haut und Haaren auffressen. Eben weil die Frauen (hoffentlich) von Natur aus freundlicher und friedfertiger gestimmt sind als die Männer, entarten sie im Zustand kämpferischer Entfesselung um so schlimmer. Und ihre Freude über den gefällten Gegner entlädt sich nicht, wie bei den Männern, in Purzelbäumen, sondern in zwar kleinen aber abstoßenden Gesten der Überlegenheit und der Auserwähltheit.

Nun, wir wissen es längst und kriegen es jeden Tag medial eingehämmert: Auch im Spiel geht’s immer nur um die „Gleichberechtigung“ und daß die Frauen angeblich alles genauso gut, meistens sogar besser als die Männer können. Aber wer diese Doktrin ernst nimmt, schadet letztlich der Spielkultur, mindert ihre Attraktivität, macht das Leben eintöniger und langweiliger. Der Fußball liefert die Probe aufs Exempel. Wie nun sogar die Forscher sagen, wird dort, wenn Frauen spielen, weniger gespielt und statt dessen ernsthafter zur Sache gegangen.

Dabei wollen wir im Spiel doch gar nicht mit allem Ernst zur Sache gehen! Friedrich Schiller hat das Spiel als „holden Überschwang“ gefeiert, als einzig verfügbares und erreichbares Gelände der Freiheit, ohne das sich die irdische Existenz gar nicht ertragen ließe. In dieser Sicht liegt vielleicht zuviel Idealismus, besonders in Zeiten der Geschäftemacherei und der großen Geldströme im Sport. Aber ein bißchen Idealismus sollte schon sein, männliche Purzelbäume einerseits, weibliche Anmut andererseits.

Die Funktionäre des Frauenfußballs beklagen sich neuerdings immer lauter über die „Unterfinanzierung“ ihres Gewerbes. Mehr und mächtigere Sponsoren müßten her, fordern sie. Pankraz seinerseits an die Sponsoren: Bleibt hart! Gebt ihnen kein Geld!

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