© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/11 08. Juli 2011

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Die Hochzeit von Fürst Albert und Charlene Wittstock liegt schon fast eine Woche zurück. Die Braut war erwartungsgemäß das Entzücken aller. Selten fehlte der Hinweis der Kommentatoren, wie gekonnt sich die neue Fürstin Grace Kelly in ihrem Aussehen angenähert hat, der gleichfalls bürgerlichen Vorgängerin mit dem Thronnamen Gracia Patricia. Grace Kelly, die Hollywoodschauspielerin mit der kurzen, aber bemerkenswerten Karriere bevor sie Rainier von Monaco heiratete, gehörte zu den Stilikonen des 20. Jahrhunderts, unnahbar, elegant, eine „kühle Blonde“, nicht honigfarben und niemals plebejisch-üppig, wasserstoff-gebleicht wie die andere Typisch-Blonde Hollywoods, Marilyn Monroe.

Der neue Kult des Kompromisses ist nichts als der Ausdruck nihilistischer Weltauffassungen.

Im vergangenen Jahr hat das Victoria & Albert Museum (London) Grace Kelly eine Ausstellung gewidmet, was Anlaß dazu gab, die Linie der „ice blondes“ auszuziehen, von Lucrezia Borgia, wenn man dem Gemälde Bartolomeo Venetos trauen darf, über Greta Garbo und Margaret Thatcher bis zu Kim Basinger. Grace Kelly wurde in dem Zusammenhang übrigens als Archetyp der „Eisblonden, die schmelzen will“, apostrophiert.

Die Schriftstellerin Herta Müller richtet einen offenen Brief an die Kanzlerin, in dem sie ein Mahnmal für die deutschen Opfer des Exils verlangt. Unterstützt wird sie dabei vom Exil-Pen und einer Reihe prominenter Kollegen. Gegen das Anliegen ist im Grundsatz wenig einzuwenden. Allerdings stört doch der explizite Hinweis auf das Schicksal der Vertriebenen. Denn einmal abgesehen davon, daß die „erste Vertreibung“ nicht – wie von Herta Müller behauptet – die Emigration nach 1933, sondern die Vertreibung von Deutschen aus dem Elsaß, Westpreußen, Posen und dem Baltikum im Gefolge des Ersten Weltkriegs war, bleibt vor allem festzuhalten, daß das noch so schwere Einzelschicksal der Exilanten in der Zeit der braunen wie der roten Diktaturen kaum in einem Atemzug genannt werden kann mit dem Zivilisationsbruch der Massenvertreibung und Massenvernichtung der Ostdeutschen zwischen 1944 und 1947.

Der Verlag Klett-Cotta hat die Gelegenheit der aktuellen Debatte über Atomenergie genutzt, um einen Sammelband mit Beiträgen Robert Spae-manns unter etwas reißerischem Titel erscheinen zu lassen: „Nach uns die Kernschmelze“ (Hybris im atomaren Zeitalter, Stuttgart 2011). Zusammengestellt sind hier Essays, die, gerade weil sie zum Teil in den siebziger und achtziger Jahren geschrieben wurden, durch ihre Hellsicht bestechen und etwas deutlich machen von der produktiven Seite konservativer Skepsis. Indes hätte man den Satz „Rahmenentscheidungen dürfen nicht irreversibel sein“ gern noch auf anderes bezogen gesehen als das Problem der Endlagerung von Brennstäben.

Die Präferenz des hellen Haars ist alt, daß seine Entstehung und Erhaltung mit dem männlichen Blick auf weibliche Attraktivität zusammenhängt, gewiß. Fontane hat das Thema in seiner Novelle „Schach von Wuthenow“ bei einem Gespräch unter preußischen Offizieren aufnehmen lassen. Die Szene spielt sich ab, als Schach, ein „Courmacher“ von Graden, den Dienst versäumt, um einer Schulmeisterstochter nachzusteigen, von der man wenig erfährt, außer daß sie „flachsblonde Flechten“ habe. Woraufhin einer seiner Kameraden spöttisch, aber treffsicher feststellt, daß es für solche Neigung und die Zurücksetzung der anderen Schönen nur Nachsicht geben könne: „Und eine Blondine, sagten Sie. Dann freilich erklärt sich alles. Denn neben einer Prinzessin Flachshaar kann unser Fräulein Victoire nicht bestehn. Und nicht einmal die schöne Mama, die schön ist, aber doch am Ende brünett. Und blond geht immer vor schwarz.“

Seit ich denken kann, kommt mir das Wort „Kompromiß“ nur mit dem Attribut „faul“ in den Sinn.

Zu den weniger beachteten „Haßdelikten“ gehören die Gewalttaten gegen blonde Mädchen und Frauen in europäischen Städten. In Toulouse etwa wurde im vergangenen Sommer ein Mädchen wegen seiner blonden Haare attackiert. Die Angreifer schlugen die Gymnasiastin in einer Bahnstation zusammen und drückten brennende Zigaretten auf ihrer Haut aus. Der Vorfall steht nicht isoliert da, die Dunkelziffer ist hoch. Es gab in Paris mindestens einen weiteren Angriff, bei dem die „falsche Haarfarbe“ des Opfers – so die Begründung der jugendlichen Straftäter – eine Rolle spielte. Über deren Haar- und Hautfarbe gibt es keine Auskunft, das verbietet in Frankreich nicht nur die Spielregel politischer Korrektheit, sondern auch das farbenblinde Gesetz. Aber selbstverständlich weiß jeder, der es wissen will, daß man es mit einer Variante jenes gegen Weiße gerichteten Rassismus zu tun hat, dessen Ausbreitung sich parallel zur Verschiebung der ethnischen Kräfteverhältnisse in Europa vollzieht.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 22. Juli in der JF-Ausgabe 30/11.

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