© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/11 15. Juli 2011

Gestaltwerdung
Positiver Rutschbahneffekt: Der Bundestag bewilligt weitere Gelder für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses
Marcus Schmidt

Das Berliner Stadtschloß kommt langsam, aber gewaltig. In der vergangenen Woche bewilligte der Haushaltsausschuß des Bundestages 590 Millionen Euro für den Wiederaufbau der 1950 vom SED-Regime gesprengten Hohenzollernresidenz nach den Plänen des italienischen Architekten Franco Stella. Bemerkenswert an der Entscheidung ist nicht nur, daß die Parlamentarier ohne große Diskussionen (nur die Linkspartei war natürlich dagegen) zur Deckung von bautechnischen Kostensteigerungen 38 Millionen Euro mehr als ursprünglich geplant bewilligt haben, sondern daß die SPD sogar zusätzlich 28,3 Millionen Euro für den Bauschmuck der Schloßkuppel und dreier Portale gefordert hatte.

Auch wenn die Mehrheit des Ausschusses diese Kosten (noch) durch Spenden finanziert sehen möchte, zeigt der Vorstoß, daß der Wiederaufbau an Fahrt gewinnt. Die Befürchtungen, daß wichtige Fassadenelemente und die Kuppel dem Rotstift zum Opfer fallen oder nur in vereinfachter Form ausgeführt werden, scheinen entkräftet. „Einen Torso an einem so zentralen Ort Berlins können wir uns nicht leisten“, begründete der SPD-Politiker Johannes Kahrs den Vorstoß seiner Partei. Notfalls müßten fehlende Spenden durch Steuergelder ausgeglichen werden.

Hier zeichnet sich ein positiver Rutschbahneffekt ab: Je mehr das Humboldt-Forum in der Hülle des Stadtschlosses Gestalt annimmt, desto lauter werden die Rufe, möglichst viel vom Barockschloß zu rekonstruieren. Diese Entwicklung dürfte sich sowohl auf die Spendenbereitschaft auswirken als auch auf die Bereitschaft der öffentlichen Hand, im Notfall mit Steuergeldern auszuhelfen. „Ich bin sicher, daß die Kuppel am Ende auch der historischen gleichen wird“, gibt sich denn auch der künftige Schloßherr, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger, überzeugt.

Bei dieser Entwicklung ist es nur noch eine Frage der Zeit, daß die Diskussion um die Rekonstruktion möglichst vieler barocker Innenräume des Schlosses voll entbrennt. Was dann noch fehlt, bleibt als Aufgabe für künftige Generationen.

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