© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/11 22. Juli 2011

Sicherungsverwahrung
Unmögliche Vorhersagen
Günter Bertram

Vorbestrafter Sexualtäter mißbraucht Siebenjährige“ – diese knappe Meldung aus Dortmund (siehe Seite 6) weckt Unverständnis und Empörung – und zwar berechtigte. Wer hat hier versagt? Die „Fallkonferenz“, auf deren Wort die fatale Lockerung der Polizeiüberwachung beruht hatte? Vielleicht aber stand sie selbst unter der Fuchtel, eine so sichere Gefährlichkeitsprognose zu stellen, wie es seriös niemand kann.

Diese Auflagen, nahezu unmögliche Vorhersagen zu machen, sind Dekrete des Straßburger Menschrechtsgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts, verkündet im Streit um die Gültigkeit deutscher Vorschriften über eine erweiterte Sicherungsverwahrung. Sachlich dreht es sich, wie so oft, um die Abwägung von Opferschutz und Täterrechten, wobei hinzukommt, daß hier der Täter die ihm auferlegten Sanktionen „abgesessen“ hatte. Straßburg – fern vom Geschehen in luftiger Höhe – veranschlagt das Täterinteresse extrem hoch, findet aber für den Opferschutz nur matte Worte, und unser Verfassungsgericht folgt dem – allerdings zögernd. Der Gesetzgeber quält sich mit Karlsruher Auflagen herum, die kaum erfüllbar sind. Das Opfer aber bleibt auf der Strecke – wie jetzt wieder in Dortmund.

 

Günter Bertram war Vorsitzender Richter am Landgericht Hamburg

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