© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/11 22. Juli 2011

Die offene Hintertür
Einwanderung: Das deutsche Asylrecht wird wieder vermehrt mißbraucht
Michael Paulwitz

Die Pegelmeldungen signalisieren eine beginnende Flutkatastrophe, die von der Öffentlichkeit allerdings kaum zur Kenntnis genommen wird. Seit geraumer Zeit steigen die Asylbewerberzahlen mit alarmierenden Wachstumsraten an – im Jahr 2010 um fast 50 Prozent, und im ersten Halbjahr 2011 bereits um ein Drittel. Wie schon in den achtziger Jahren, gewinnt das Asylrecht als Hintertüre zur illegalen Einwanderung wieder rapide an Bedeutung.

Daß es den wenigsten Asylbewerbern um Schutz vor Verfolgung geht, läßt sich schon an den Herkunftsländern ablesen: Neben tatsächlich unerfreulichen Ländern wie Iran oder Syrien sind in der Spitzengruppe der zehn Hauptherkunftsländer regelmäßig die lupenreine Demokratie Rußland und der hofierte EU-Beitrittskandidat Türkei zu finden; ferner die EU-Aspiranten Serbien und Mazedonien sowie Kosovo und Afghanistan, wo dem Vernehmen nach die Bundeswehr für Ordnung sorgt.

Noch deutlicher wird der Hintertür-Charakter des Asylantrags an den Anerkennungszahlen. Im Beispielmonat Juni 2011 wurde bei knapp dreitausend entschiedenen Anträgen nur in 1,5 Prozent der Fälle die Asylberechtigung nach Artikel 16a des Grundgesetzes anerkannt. Über die Hälfte der Fälle wurde abgelehnt, ein weiteres Viertel durch Verfahrenseinstellung oder Rücknahme des Antrags erledigt. 16 Prozent erhielten den Flüchtlingsstatus gemäß Genfer Konvention zugesprochen, in sechs Prozent der Fälle wurde Abschiebeverbot als „subsidiärer Schutz“ gewährt.

Vor allem die beiden letztgenannten Instrumente wurden in den vergangenen Jahren zur systematischen Aushöhlung des Asylrechts herangezogen. Der Flüchtlingsstatus kann inzwischen nicht mehr nur durch Gruppenverfolgung aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder sozialer Zugehörigkeit begründet werden, sondern auch durch „geschlechtsspezifische“ und „nichtstaatliche“ Verfolgung. Im Klartext: Wer irgendwo auf der Welt zwischen Bürgerkriegsfronten gerät oder als Frau oder Homosexueller „diskriminiert“ wird, hat Aussicht auf dauerhaften Aufenthalt in Deutschland. Und „subsidiären Schutz“ kann beanspruchen, wem zu Hause „ernsthafter Schaden“ droht, durch Folter, nicht-rechtsstaatliche Prozesse, Todesstrafe oder fehlende medizinische Betreuung auf westlichem Standard – also fast jeder.

Diese Gummiparagraphen bieten der gutvernetzten Asyllobby, die von den kirchensteueralimentierten Amtskirchen über mächtige Organisationen wie Pro Asyl, Gewerkschaften und die politischen Parteien des linken Spektrums bis hinab zu einer unübersehbaren Zahl lokaler und regionaler Initiativen reicht, ein weites Betätigungsfeld. Nicht nur hauptamtliche Lobbyisten und Funktionäre und staatlich besoldete Betreuer und Sozialpädagogen, sondern auch Heerscharen von Rechtsanwälten leben nicht schlecht davon, die tief durch die Instanzen gestaffelte Rechtswegegarantie auszureizen.

Wirksame Schützenhilfe leistet eine Medienöffentlichkeit, die tendenziell jede noch so gerechtfertigte und begründete Abschiebungsmaßnahme als barbarischen Akt hinzustellen bereit ist. Dem dadurch aufgebauten moralischen Druck halten Verwaltung und Politik nur selten stand und suchen eher selbst nach Schlupflöchern, statt das rechtsstaatlich Gebotene auch durchzusetzen. Unter ähnlichem Druck steht die Justiz. Der „Stuttgarter Taliban“, der trotz Ausbildung in einem afghanischen Terrorlager vor dem Verwaltungsgericht sein Asylrecht einklagen konnte, ist ein Beispiel für die Pervertierung des Asylrechts durch groteske Urteile. Ganze kriminelle Familienclans, die ihre wahren Identitäten gezielt verschleiern, genießen dauerhaftes Bleiberecht und vollen Zugriff auf deutsche Sozialleistungen. Angesichts solcher massenhafter Betrugsabsicht erscheint die Ausgestaltung des Asylrechts als Verfassungsgrundrecht obsolet.

Die gebotene Abschaffung und Ersetzung durch einfachgesetzliche Regelungen erscheint indes um so utopischer, als der löcherige Status quo von der Asyllobby auch auf europäischer Ebene in die Zange genommen wird. Die Stoßrichtung der soeben wieder im Innenministerrat besprochenen weitreichenden EU-Pläne ist eindeutig – voller Sozialhilfe- und Arbeitsmarktzugang für Asylbewerber soll das Asylverfahren zum faktischen Einwanderungsinstrument machen.

CDU-Fraktionsvize Günter Krings hat recht, wenn er vor Zuständen wie in den achtziger Jahren mit bis zu 400.000 Asylbewerbern jährlich warnt und das strikte Festhalten am Asylkompromiß anmahnt, der den Asylanspruch bei Einreise über sichere Drittstaaten ausschloß. Krings vergißt allerdings, daß die deutsche Politik selbst dieses Prinzip, das im Dublin-Abkommen europäischen Rang erhalten hat, aufgeweicht hat – etwa durch das Aussetzen von Abschiebungen über Griechenland eingereister Asylbewerber ins Erstaufnahmeland.

Im Herbst sollen die EU-Asylrechtspläne weiter verhandelt werden. Wie standhaft Angela Merkel Positionen verteidigt, an denen die EU-Salamitaktik nagt, hat man beim Aushandeln der Euro-„Rettungsschirme“ gesehen. Ohne eine neue politische Konkurrenz, die das Thema gezielt besetzt und dadurch einen überparteilichen Konsens zur Wahrung vitaler nationaler Interessen erzwingt, wird dabei wenig Gutes herauskommen

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