© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/11 22. Juli 2011

Freispruch für einen Dilettanten
Justiz: Im Fall des Regierungdirektors Josef Schüßlburner hat ein Gericht einen ehemaligen Spitzenbeamten vom Vorwurf der Rechtsbeugung freigesprochen
Bernd Hierholzer

Das Schöffengericht am Amtsgericht Bergisch-Gladbach hat Konrad B., einen ehemaligen Abteilungspräsidenten einer oberen Bundesbehörde, von dem Vorwurf der Rechtsbeugung freigesprochen. Einer der skandalträchtigen Gründe: Der Spitzenbeamte, ein Volljurist, habe nur ein Viererexamen gehabt und sei der Aufgabe wohl nicht gewachsen gewesen. Der (noch nicht rechtskräftige) Freispruch paßt zur Widerborstigkeit der Justiz gegen eine Strafverfolgung des inzwischen pensionierten Beamten.

Das eigentliche Geschehen liegt satte zehn Jahre zurück. Konrad B. war Untersuchungsführer in einem Disziplinarverfahren gegen den Regierungsdirektor Josef Schüßlburner (JF 50/10), der sich in seiner Freizeit als Autor in Medien wie den von Hans-Dietrich Sander herausgegebenen Staatsbriefen oder für Criticón betätigte. Der Dienstherr hatte dies zunächst nicht moniert. Erst als das Bundesamt für Verfassungsschutz die Bundesregierung auf Schüßlburner aufmerksam machte, wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Im „Kampf gegen Rechts“ nahm es Untersuchungsführer Konrad B. mit den Vorschriften und der nachweislich vorhandenen und von ihm auch genutzten Fachliteratur nicht ganz so ernst. „Ich war arbeitsüberlastet“, wie er in der Strafverhandlung später vorschieben sollte. Zunächst bestellte er zum Ärger seiner Vorgesetzten einen im gescheiterten NPD-Verbotsverfahren beteiligten Anwalt der Bundesregierung für mehr als 17.000 Euro als unabhängigen Gutachter, der die Artikel Schüßlburners im Zusammenhang mit seinen Dienstpflichten als Beamter bewerten sollte.

Schüßlburner stellte daraufhin einen Befangenheitsantrag gegen den Gutachter unter anderem wegen fehlender Unabhängigkeit. Ein Antrag, den Konrad B. trotz Rechtsbelehrung ignorierte. Daraufhin stellte Schüßlburner einen Befangenheitsantrag gegen Konrad B. selbst. Auch den ignorierte er, trotz erneuter Rechtsbelehrung durch Schüßlburners Anwalt, obwohl er den Antrag an das Bundesdisziplinargericht hätte weiterleiten müssen. Erst jetzt schritt der zuständige Staatssekretär ein und setzte Konrad B. als Untersuchungsführer ab.

Schüßlburner wehrte sich nun seinerseits gegen das rufschädigende Verfahren und stellte Strafanzeige gegen den früheren Untersuchungsführer wegen Rechtsbeugung im Amt nach Paragraph 339 des Strafgesetzbuches. Als die Staatsanwaltschaft eine Anklage ablehnte, strengte Schüßlburner mit dem Kölner Rechtsanwalt Jochen Lober über das Oberlandesgericht (OLG) Köln eine Klageerzwingung an.  Da aber auch das Gericht sich querstellte, mußte das Bundesverfassungsgericht in zwei Beschwerdeverfahren die Rechtmäßigkeit einer Klageerzwingung feststellen und das OLG und somit auch die Staatsanwaltschaft in die Knie zwingen. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf bereits das ursprüngliche Disziplinarverfahren als von Anfang an rechtswidrig festgestellt. Nun wurde zwar endlich die Strafanklage gegen Konrad B. erhoben, doch das Schöffengericht mochte Schüßlburner nicht als Nebenkläger anerkennen. Erst das Landgericht Köln stellte den Anspruch Schüßlburners als Nebenkläger sicher. Er habe die Anklage doch überhaupt erst durchgesetzt, so das Gericht.

Die Verhandlung vor dem Schöffengericht unterhalb des Schlosses Bensberg wirkte streckenweise wie eine einzige Anklage gegen Schüßlburner, nicht etwa gegen Konrad B. Als Beobachter konnte man die angewiderten Blicke einer Schöffin gegen Schüßlburner, das siegessichere Grinsen des Angeklagten und die zum Teil maßlose Respektlosigkeit des Verteidigers gegen die Nebenklägerschaft gut beobachten. Die Zeugen mochten sich nach zehn Jahren an nicht mehr allzuviel erinnern. Alles lief darauf hinaus, daß Konrad B., der Viererjurist, der wohl dank des richtigen Parteibuchs zum Spitzenbeamten im Dienste der Bundesrepublik avancierte, nichts als ein Disziplinarrechtsdilettant sei und die Verfahrensfehler trotz schriftlicher Rechtsbelehrungen nicht habe beherrschen können.

Ein konsequenter Freispruch in einem langen und vielschichtigen Verfahren, das Fragen über die Existenz und die Reichweite einer politischen Justiz aufwirft.

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