© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/11 22. Juli 2011

Ein Kandidat kommt selten allein
SPD: Noch darf Peer Steinbrück nicht sagen, daß er gerne Bundeskanzler werden möchte
Marcus Schmidt

Das Thema lautete „Europa in der Krise“ und gesprochen wurde über die Rettung des „europäischen Projektes“ im allgemeinen und die des Euro im besonderen. Doch die Atmosphäre in der Bundespressekonferenz, vor der sich am Montag der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück den Fragen der Journalisten stellten, wurde von einer ganz anderen Frage bestimmt: Wer tritt bei der Bundestagswahl 2013 für die SPD als Kanzlerkandidat an?

Dabei wollte Gabriel eigentlich nur davon berichten, daß er zusammen mit Fraktionschef Steinmeier der Kanzlerin einen Brief geschrieben hat, in der die SPD-Führung ihr die Mitarbeit bei der Lösung der Griechenland-Krise angeboten habe. Doch warum und in welcher Funktion saß dann der einfache Bundestagsabgeordnete Peer Steinbrück mit auf dem Podium, wollten die Journalisten von Gabriel wissen? Wortreich versuchte dieser daraufhin die Vorzüge und die Kompetenz des ehemaligen Finanzministers zu preisen, der während der weltweiten Finanzkrise gezeigt habe, daß er solche Krisen solide „handeln“ könne. Doch schließlich gab Gabriel auf: „Wenn wir nicht zu dritt gekommen wären, hätten Sie gefragt, warum einer von uns nicht dabei ist. Dem wollten wir aus dem Weg gehen“, sagte Gabriel ohne das Wort Kanzlerkandidat auszusprechen.

Denn alle im Saal wußten, daß Steinbrück die eigentliche Hauptperson und Gabriel und noch mehr Steinmeier nur das schmückende Beiwerk waren. Nicht nur mit Blick auf die Umfragen, in denen Steinbrück vor den beiden anderen steht, müßte es der SPD-Führung daher eigentlich leichtfallen, sich auf ihn als Kandidaten zu einigen. Doch für eine solche Festlegung ist es jetzt, zur Halbzeit der Legislaturperiode viel zu früh. Zudem stößt der bisweilen oberlehrerhafte Stil des ehemaligen Finanzministers, der immer mehr dem seines Vorbildes, des „Weltökonomen“ Helmut Schmidt, ähnelt, nicht bei allen in der Partei auf Zustimmung. Am Ende, das wissen Gabriel und Steinmeier, wird es 2012 dennoch auf Steinbrück hinauslaufen. Zumal wenn sich die Euro-Krise, bei der er zumindest mitreden kann, bis dahin fortsetzt.

Die SPD ist aber nicht die einzige Partei, die sich mit der für die meisten Beteiligten eher unangenehmen K-Frage beschäftigen muß. Seit Monaten schon versuchen die Grünen der unausweichlichen Diskussion zu entgehen. Dabei ist die Ausgangslage in der Partei, die stets versucht, Macht und Autorität hinter Doppelspitzen zu verstecken, noch weitaus schwieriger. Angesichts der Umfragen, in denen sie zeitweise zur SPD aufschließen konnte, wird sich die Partei der Diskussion über einen Spitzenkandidaten kaum entziehen können. Die eleganteste Lösung wäre für viele Grüne die Rückkehr Joschka Fischers auf die politische Bühne. Doch dies gilt in Berlin mittlerweile als ausgeschlossen.

So läuft alles auf einen Kandidaten aus dem Kreis der aktuellen Führungsriege in Partei und Fraktion hinaus. Und der heißt: Jürgen Trittin. Der Fraktionsvorsitzende ist derzeit der einzige, dem zugetraut wird, die Grünen als Spitzenkandidat in den Bundestagswahlkampf zu führen und bei einer Regierungsbeteiligung, wenn nicht als Kanzler so doch als Vizekanzler, am Kabinettstisch Platz zu nehmen. Während Trittins Ko-Vorsitzende Renate Künast sich derzeit im Berlin-Wahlkampf aufreibt, werden den beiden Parteivorsitzenden Cem Özdemir und Claudia Roth bei allem Unterhaltungswert keine Chancen eingeräumt.

FDP und Union können sich dagegen beruhigt zurücklehnen. Die FDP, die 2002 mit Guido Westerwelle als Kanzlerkandidat angetreten war, kommt angesichts von Umfragewerten unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde derzeit nicht in Verlegenheit, sich nach einem Kandidaten umzuschauen. Und in der Union hat Bundeskanzlerin Angela Merkel unlängst deutlich gemacht, was sowieso alle wußten: Sie tritt 2013 wieder für die CDU als Spitzenkandidatin an. Ihre erneute Kandidatur ist für die Union gewissermaßen alternativlos.

Foto: Steinbrück, Gabriel und Steinmeier (v.l.n.r.): Warum sitzt der Bundestagsabgeordnete auf dem Podium?

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