© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/11 22. Juli 2011

Zeitschriftenkritik: Provocateur
Von Provokation keine Spur
Christian Vollradt

Sogenannte Männer-Lifestyle-Magazine gibt es zuhauf, möchte man meinen. Da läßt aufhorchen, wenn ein Verlag ausgerechnet in diesem Segment mit einem neuen Titel reüssieren will. Meistens funktionieren solche Hochglanzprodukte ja nach demselben (einfachen) Muster: Ein paar Texthappen, dazu ziemlich viele Fotos von ziemlich wenig bekleideten Frauen sowie von ziemlich teuren Autos. Dazu unziemlich viel Werbung – für Kleidung, Düfte, Autos, Uhren. Und die Männer, die in den Heften vorkommen, sind stets sportlich, erfolgreich und vor allem lässig.

Provocateur heißt die nun im Handel erschienene Kampfansage an die etablierten Männer-Lifestyle-Magazine. Das Heft soll – der Name legt es nahe – ganz anders sein als der Rest. Keine „glatten 08/15-Schönlinge“ sollen vorkommen, sondern echte Kerle, die „aus der Norm ausbrechen“. Man wolle „ein Forum für die Andersdenkenden sein“, bekennt Chefredakteur Michael Brunnbauer in seinem Editorial. Worum dreht sich die erste Ausgabe? Um erfolgreiche Männer, die lässig rüberkommen und zumeist sportlich sind ... Dazu Mode, Düfte, Autos – und Uhren. Gefühlte 120 der insgesamt 240 Seiten handeln von Zeitmessern, entweder redaktionell oder als Werbung, wobei da manches nicht ganz auseinanderzuhalten ist. So wird also mit Hollywood-Star John Malkovich über dessen selbstentworfene Kleidung parliert und werden mit Barkeeper und „Stilikone“ Charles Schumann so essentielle Fragen erörtert, wie die nach dem Für und Wider von Männerhandtaschen oder ob „Mann“ einen Smoking braucht.

Wie wenig Provokation in dem Heft steckt, sieht man am Beispiel des Hausbesuchs bei Richard Melville Hall, besser bekannt als Moby. Der macht und verkauft erfolgreich Elektro-Pop, lebt (gut) in den Hügeln von Los Angeles und ist die personifizierte „Political Correctness“. Deshalb findet er die Tea-Party-Bewegung „gefährlich“ und hält Sarah Palin für die „dümmste amerikanische Politikerin aller Zeiten“. An seinem Land stört ihn neben dem allgemeinen Provinzialismus vor allem grassierender Rassismus oder Haß auf Schwule. Ja, um Himmels willen, wen will man denn in Deutschland mit so etwas provozieren, in einem Land, in dem es laut Umfrage 23 Prozent Grünen-Wähler gibt? Hier wäre Sarah Palin die Provokation, nicht Moby.

Neben den Klitschko-Brüdern oder dem Jackass-Protagonisten „Wee Man“ (das ist der Zwerg, nicht der, der sich und seinen Beifahrer kürzlich alkoholisiert ins Jenseits befördert hat) haben die Blattmacher auch Amir Kassaei im Interview, Kreativchef einer der weltgrößten Werbeagenturen. Der war – laut Einführungstext – früher Kindersoldat im Iran, hat also einen in der Tat nicht ganz gewöhnlichen Karriereweg hinter sich. Im Gespräch äußert Kassaei seine Überzeugung, daß in zehn Jahren das Gedruckte tot sei – wenn das mal zumindest für Zeitschriftenherausgeber nicht eine echte Provokation ist.

Kontakt: Meth Media Deutschland GmbH, Stuttgart. Provocateur erscheint sechsmal jährlich. Das Einzelheft kostet 4,80 Euro, ein Jahresabo 25,80 Euro.  www.provocateur-magazin.de

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