© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/11 22. Juli 2011

Blick in die Medien
Hartz IV plus Pro7 ergibt 14 Monate
Werner Becker

Vor kurzem fragte die Bild ihre Leser: „Wo kriegt das Fernsehen nur immer diese Typen her?“ Gemeint waren die Hauptdarsteller in jenen Billigsendungen, die vorzusgweise nachmittags bei den Privaten laufen. Ein Prozeß vor dem Berliner Amtsgericht hat jetzt eine Antwort geliefert: Sender zahlen gut für bizarre Geschichten. Um so grotesker, desto besser.

Skurril wie der Fall von Beatrice „Trixie“ Hübschmann. Die Berliner Edelhure wollte eines Tages nur noch für ihre Kinder dasein und beendete die Prostitution. Hinterher schrieb sie ein Buch über ihr Leben im Rotlichtmilieu, durch das ProSieben auf sie aufmerksam wurde.

In der Sendung „We are family!“ wurde ihre Geschichte nacherzählt. Hübschmann ist in der Serie eine sympathische Frau, die Beruf und Familienleben unter einen Hut bringt. Manchmal weint sie vor der Kamera, weil ihr alles zuviel wird.

Diese vermeintlich verletzliche und liebevolle Frau stand nun vor einem echten Richter, da sie über 13.000 Euro Arbeitslosengeld II  mitgenommen hatte, das ihr gar nicht zustand. Während sie nämlich Fernsehgagen kassierte (40.000 Euro), beantragte sie auch Sozialhilfe, ohne ihre zusätzlichen Geldquellen anzugeben. Das Gericht verurteilte sie zu vierzehn Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Dieser Fall zeigt, was für verzerrte Bilder die sogenannten „Reality-Shows“ den Zuschauern von ihren Protagonisten vermitteln. Realitätsfernsehen gibt vor, die Wirklichkeit abzubilden. Gezeigt wird aber meistens das Gegenteil. Der Erfolg dieser Serien zeigt auch, wie unersättlich das deutsche Fernsehpublikum nach solchen Skandalen ist.

Die ehemalige Prostituierte war im Gerichtssaal kleinlaut und gab ihre Schuld zu. Ihr Anwalt sagte: „Meine Mandantin möchte jetzt einen positiven Lebensweg einschlagen.“ Sie zahle sogar ihre Schulden zurück. Na bitte. Vielleicht ist sie diesmal wirklich geläutert.

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