© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/11 22. Juli 2011

Umwelt
Brüsseler Fische
Volker Kempf

Das für die Fischerei zuständige EU-Kommissariat legte vorige Woche seine Reformpläne vor. „Wir müssen handeln, um alle Fischbestände wieder in einen gesunden Zustand zu versetzen“, erklärte die griechische Ressortchefin Maria Damanaki. Künftig sollen die Bestände in EU-Gewässern nur noch so stark genutzt werden, daß ihr Überleben auf lange Sicht nicht gefährdet wird. Ein solches Bekenntnis ist in dieser Eindeutigkeit neu, doch kommt es auf die Konkretisierung an. Flottenüberkapazitäten sollen durch Quoten und Fangkonzessionen abgebaut werden. Ein anerkennenswerter Ansatz, befindet die Umweltstiftung WWF. Ausgeschlossen bleibt aber die Möglichkeit der kurzfristigen Entziehung von Fangkonzessionen durch die Mitgliedstaaten. Beifang von Jungfischen und zuviel gefangener Fische soll nun kommerziell verwertet werden, womit der Anreiz fehlt, ihn zu unterlassen. Und für die 60 Prozent Fischfang, die die Fischereiflotten außerhalb von EU-Gewässern durchführen, wird keine Verantwortlichkeit gesehen.

Die Fischereiindustrie wird mit den EU-Reformvorschlägen gut leben können. Ob das auch für die Küstenfischer im Mittelmeerraum gilt, ist eine andere Frage. Diese finden nämlich keine Erwähnung, obwohl sie dort mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze in der Fischereiwirtschaft stellen. Auch sonst bleibt vor allem die regionale Ebene wenig bedacht. Dezentralisierung bleibt ein Fremdwort auf EU-Ebene, obwohl vieles gerade auch die Fischereiwirtschaft betreffend durch Wissenschaftler, Politiker und Wirtschaftsvertreter am besten auf regionaler Ebene geregelt werden könnte. Nachhaltiges Fischereimanagement wird so kaum gelingen. Dazu „fehlt der politische Mut“, meint der WWF. Es fehlt aber auch der Rechtfertigungsdruck auf EU-Ebene, weil die Bürger gar nicht erfahren, wer welche Entscheidungen konkret zu verantworten hat.

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