© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/11 29. Juli / 05. August 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Ab in den Urlaub
Marcus Schmidt

Deutschland geht es so gut wie lange nicht.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in der vergangenen Woche vor den versammelten Hauptstadtkorrespondenten in den Urlaub.

Angesichts des neuerlichen Rettungspaketes für Griechenland, das sie in der Nacht zuvor auf einem Sondergipfel zusammen mit den Staats- und Regierungschefs der Länder der Euro-Gruppe ausgehandelt hatte und von  dem Deutschland wie gewohnt einen beträchtlichen Anteil tragen muß, wirkte diese Einschätzung erstaunlich. Zumal Merkel zugeben mußte, daß über die finanziellen Risiken für die deutschen Steuerzahler im Augenblick überhaupt noch nichts gesagt werden könne.

Doch so ist es eben, wenn sich die Kanzlerin vor der Sommerpause noch einmal ins rechte Licht rücken will: Sie versucht, die Politik der vergangenen Monate in den schönsten Farben zu schildern und gleichzeitig die Versuche der Journalisten, ihr mit unangenehmen Fragen Kratzer in den Lack zu machen, möglichst geschickt abzuwehren.

Und so ließ sich Merkel bei ihrem Auftritt vor der Bundespressekonferenz nicht von kritischen Nachfragen zu den Kosten der Euro-Rettung irritieren. Statt dessen ließ sie erneut keinen Zweifel daran aufkommen, daß die sich hinziehende Rettung der Gemeinschaftswährung „alternativlos“ sei. „Europa ist ohne den Euro nicht mehr denkbar“, gab sie die Richtung vor. Es sei daher eine historische Aufgabe, den Euro zu schützen.

Trotz des zur Schau getragenen Optimismus, richtig glücklich sah Merkel  in ihrem pinkfarbenen Blazer nicht aus. Die andauernde Währungskrise, die verlorenen Landtagswahlen, der Schlingerkurs in der Energiepolitik und die schlechten Umfragewerte haben ihre Spuren hinterlassen. Selten, sagte Merkel mit Blick auf die vergangenen Monate, habe es so viele Krisen und Großereignisse in so kurzer Abfolge gegeben. Sie habe gespürt, daß es eine Zeit rasanter Beschleunigungen und Veränderungen sei.

Die CDU-Chefin versuchte dennoch den Eindruck zu vermeiden, sie sei nach mittlerweile sechs Jahren an der Spitze der Bundesregierung amtsmüde. Zwar wollte sich sich nicht darauf festlegen lassen, daß sie 2013 erneut als Kanzlerkandidatin für die Union antritt, doch das gilt in Berlin sowieso als ausgemacht – wer sollte es auch sonst machen, fragt man sich nicht nur im Konrad-Adenauer-Haus. „Wie Sie sehen, macht mir meine Arbeit Spaß, und es ist nicht abzusehen, daß sich das kurzfristig ändert“, sagte sie dazu nur. Und auch die Frage nach den schlechten Umfragewerten kanzelte sie ab: Es sei kein Zufall, daß nicht alle zwei, sondern alle vier Jahre gewählt werde.

Trotz der wenig strahlenden Bilanz ihrer „christlich-liberalen“ Regierung, verneinte Merkel die Frage eines englischen Journalisten, ob sie die vergangenen zwölf Monate wie einst die englische Königin als ein Annus horribili, ein schreckliches Jahr, bezeichnen würde. „Nein, es war ein anspruchsvolles Jahr mit vielen Chancen“, antwortete die Kanzlerin. So kann man es natürlich auch sehen.

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