© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/11 29. Juli / 05. August 2011

Ein Regie-Opa für Bayreuth
Wagner-Festspiele: Frank Castorf soll 2013 den Jubiläums-„ Ring“ inszenieren
Harald Harzheim

Als Bayreuths junge Intendantin Katharina Wagner im Oktober 2006 die Castorf-Inszenierung der „Meistersinger von Nürnberg“ (JF 41/06) besuchte, wurde sie gefragt, ob sie sich diesen Regisseur auch in Bayreuth vorstellen könne. Ja, sagte sie, allerdings seien die musikdramaturgischen Stilmittel der Berliner „Meistersinger“ in Bayreuth unmöglich: Castorf hatte das Orchester radikal reduziert, das Libretto mit Sprech-Szenen aus Ernst Tollers „Masse Mensch“ montiert, damit den Begriff des Volkes antipodisch zur modernen Masse aufgestellt, und die Gesangspartien mit Schauspielern besetzt. Die sangen ihre Arien mit Betonung auf Textdeklamation, manchmal gar wie Kabarett-Chansons mit Klavierbegleitung. Solch radikalen Eingriff in die musikalische Dimension des Werkes hatte selbst sein Hausregisseur Christoph Schlingensief nicht unternommen, als er 2004 in Bayreuth „Parsifal“ als Performance inszenierte.

Entweder hat Katharina Wagner ihre Meinung geändert oder Castorf die musikalische Ebene inzwischen als dekonstruktionsfreie Zone anerkannt. Denn nach der Absage von Wim Wenders soll er 2013 den Bayreuther Jubiläums-„Ring“ in Szene setzen. Das bestätigte Katharina Wagner am vergangenen Montag. Allerdings muß der 60jährige Castorf (JF 29/11) sich vorab ein Team zusammenstellen, ehe es zur „definitiven Zusage“ (K. Wagner) kommt. Als Bühnenbildner ist der Serbe Aleksandar Denic im Gespräch, ein Hinweis darauf, daß Castorf nicht seine altbewährte, totgelaufene Volksbühnen-Kompanie mitschleppen wird. Zumal sein Vertrag als deren Intendant nach 21 Jahren exakt im Sommer 2013 ausläuft.

Aber egal, ob Neuanfang oder nicht: Es stellt sich die Frage, warum eine junge Intendantin ihr Repertoire ausschließlich von gestrigen und vorgestrigen Regie-Opas inszenieren läßt. Schließlich liegt auch die Glanzzeit von Wenders schon Jahrzehnte zurück, vom Bayreuther „Lohengrin“-Regisseur Hans Neuenfels ganz zu schweigen. Dessen „Regietheater“ ist inzwischen so kraftlos geworden wie das illustrative Inszenieren vor vierzig Jahren. Wie Oper und Theater wieder Bedeutung erlangen sollen im Zeitalter neuer Medien, wie man den Live-Effekt der Bühne erneut gegen die ausgefeilten Erzähltechniken des Films ausspielen könnte – um das zu erforschen, muß man abenteuerliche Expeditionen wagen, nicht auf verbrauchte Langweiler setzen.

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