© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/11 29. Juli / 05. August 2011

Der Feindaufklärer
Karlheinz Weißmann hat eine Biographie des rechten Publizisten Armin Mohler vorgelegt / Kein Mann für leise Zwischentöne
Thorsten Hinz

Wen Armin Mohler überhaupt nicht mochte: die Liberalen und Lauen sowie die Schrebergärtner im toten Unterholz – die harmlosen Rechten! Die sich an Begriffe und Tabus klammerten, welche der Gegner definierte. Viel raffinierter und gefährlicher als die Kommunisten schätzte er die Liberalen ein, die – um ein Bonmot seines Freundes Robert Hepp zu variieren – 100 gläserne Türen als Tore zur Freiheit anpreisen und verschleiern, daß 99 davon verschlossen sind. Ihr totaler Sieg hat die Heuchelei zum ubiquitären Prinzip erhoben. Menschen werden nach ihren Lippenbekenntnissen beurteilt und nicht danach, was sie tun und wofür sie einzustehen bereit sind.

Mohler war – bereits sein kantiger Charakterkopf deutete darauf hin – ein „agonaler“, ein kämpferischer Typ. Mit der Sensibilität des Regenpfeifers, der Witterungsumschwünge ankündigt, erspürte er die Tiefenströmungen in Politik und Gesellschaft. Er war sensibel, aber nicht sentimental. Mohler dachte und schrieb politischen Klartext, sein Wort war bewaffnet und scharf. Er war schon ein moderner Konservativer oder „Neuer Rechter“, bevor die Begriffe auftauchten. 1995 nannte er sich „einen Faschisten im Sinne von José Antonio Primo de Rivera“. Er bezog sich – was nur wenige wußten – auf den jungen Falange-Gründer, einen klugen, kultivierten Mann, der 1936 von der spanischen Linken getötet und von Franco nachträglich vereinnahmt wurde.

Eine Biographie dieses 2003 verstorbenen Doyens des deutschen Nachkriegskonservatismus war überfällig und Karlheinz Weißmann zur Autorenschaft berufen: als Kenner der Persönlichkeit und des Werkes, das er mit der Aktualisierung von Mohlers Standardwerk zur Konservativen Revolution im Wortsinne fortgeschrieben hat.

Mohlers früher Eigensinn entfaltete sich vor dem Hintergrund der Schweizer Grenzstadt Basel, wo er 1920 geboren wurde. Zum prägenden Lektüreerlebnis wurde ihm das 1938 erschienene Buch „Das Reich und die Krankheit der europäischen Kultur“ des Kulturwissenschaftlers Christoph Steding. Für Steding hatte Deutschland bis 1933 in der Gefahr gestanden, der politischen und geistigen Neutralisierung – der „Verschweizerung des deutschen Denkens“ – zu verfallen, was den Verlust der äußeren und inneren Souveräntität und die Beschränkung auf ein eklektisches Vermittlertum bedeutet hätte. Derart „schicksallose Völker“ neigten dazu, „geborene Pharisäer“ hervorzubringen. Stedings gedankliche Nähe zu Carl Schmitt ist evident, und Schmitt ließ es sich nicht nehmen, das postum erschienene Buch des frühverstorbenen Autors persönlich zu rezensieren. Hier deuteten sich einige der Bezüge an, die für Mohler zeitlebens wichtig werden sollten.

Deutschland wurde dem jungen Mohler zur „großen Versuchung“, so daß er im Februar 1942 illegal die Grenze überschritt, um „den Deutschen den Krieg gewinnen zu helfen“. Das Deutschland-Intermezzo dauerte allerdings nur ein knappes Jahr. Einige Monate verbrachte er als Student in Berlin und beschäftigte sich mit den Autoren der „Konservativen Revolution“, über die er später bei Karl Jaspers seine berühmte Dissertation verfaßte. Er rebellierte gegen den Fortschritts- und Verstandesglauben, der die durchrationalisierte Welt für erstrebenswert und ihre Elemente für beliebig isolier- und kombinierbar hält. Dagegen wollte er die Elementarkräfte der Kunst und Kultur, der Nation, der Geschichte setzen. Diese Gegenbewegung – und das unterschied ihn von den „alten Rechten“ – zielte nicht auf die Wiederherstellung einer im 19. Jahrhundert wurzelnden Welt ab, sondern sie rechnete ausdrücklich mit den neuen Realitäten.

Im „Nominalismus“-Kapitel legt Weißmann die nicht immer schlüssigen Versuche Mohlers dar, seine Gedanken und Einsichten zu systematisieren. Eindeutig lehnte er den Universalismus ab, der das Einzelne aus einer allem zugrunde liegenden geistigen Ordnung ableitete und die Realitäten in einem „toten Meer der Abstraktionen“ ertränkte. Für den Nominalisten Mohler handelte es sich bloß um nachträgliche Benennungen, die Verwirrung stiften sollten. Ihm war allein das Konkrete und Besondere, das „Wirkliche“ wichtig, das er in kraftvollen, organischen Bildern zu erfassen versuchte. Dementsprechend richteten sich auch seine persönlichen Sympathien nicht nach dem politischen Bekenntnis, sondern nach dem geistigen und charakterlichen Wert, den er im anderen erkannte.

Der keineswegs konfliktfreien Zeit als Sekretär Ernst Jüngers seit 1950 folgten die Jahre als Frankreich-Korrespondent für die schweizerische Tat und die Wochenzeitung Die Zeit. Ab 1961 Sekretär, dann Geschäftsführer der Siemens-Stiftung, versuchte er, durch hochkarätige Vortragsreihen und Publikationen der Linksdrift der Bundesrepublik entgegenzuwirken. Von seinen zahlreichen Büchern ist „Der Nasenring“ – eine treffsichere Abrechnung mit der „Vergangenheitsbewältigung“ – das bekannteste. 1969 schrieb er in der Schweizer Weltwoche: „Der Bundesrepublikaner ist nach schönster Do-it-yourself-Manier damit beschäftigt, gegen sich selber Krieg zu führen. Und nicht nur er – die ganze westliche Gesellschaft (...) scheint sich zu schämen, daß sie von Männern abstammt; jeder möchte nervenschwach werden, weil das allein menschlich ist.“

In Frankreich war er ein kritischer Anhänger von Präsident Charles de Gaulle geworden. Dessen „Europa der Vaterländer“ hielt er für fähig, den Alten Kontinent als dritte Kraft zwischen den USA und der Sowjetunion zu etablieren. In den 1960er Jahren schien sich für Mohler sogar die Möglichkeit zu eröffnen, über den CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß unmittelbaren politischen Einfluß zu nehmen. Allerdings bog Strauß die gaullistisch inspirierten Redeentwürfe Mohlers stets ins „Atlantische“ ab. War das nun Schwäche oder die bessere Einsicht des Praktikers in das Machbare? Zumindest wurde hier ein konservativer Grundkonflikt der Nachkriegszeit offenbar: Die Mehrheit der Rechten hatte sich mit einer unter US-Protektorat stehenden Bundesrepublik abgefunden (ohne zu sehen, daß sie damit auf längere Sicht ihr eigenes Verschwinden provozierte), während Mohler ein freies und europäisches Deutschland vorschwebte.

An diesem Konflikt scheiterte auch – von Mohler im „Nasenring“ geschildert – die Zeitschrift Die Republik, die 1968 vom Verleger Axel Springer als Forum für die heimatlose Rechte geplant war.

Jetzt schien es sein Schweizertum zu sein, das ihn vor dem politischen Phantasieverlust bewahrte, der die deutschen Nachkriegskonservativen ereilte. Andererseits geriet er auch im bürgerlichen Lager in die Isolation. Zwar eröffnete ihm Caspar von Schrenck-Notzings Criticón eine neue publizistische Plattform, doch andere verschlossen sich ihm zunehmend, und eine akademische Karriere war ihm trotz Habilitierung verbaut. Die Wiedervereinigung konnte an seiner Situation nur kurzzeitig und vordergründig etwas ändern.

Der zeithistorische Rahmen, in dem sich Mohlers erstaunliche und nur äußerlich gebremste Karriere vollzog, hätte noch ein paar schärfere und genauere Konturen vertragen. Neben der Größe hätte er dann auch die Tragik Mohlers klarer hervortreten lassen. Wenn Weißmann feststellt, daß es bis Mitte der achtziger Jahre für die intellektuelle Rechte „noch einen gewissen Spielraum gab“, der aber schrumpfte, weil die Linke weder „dialogbereit“ noch lernfähig gewesen sei, dann wirkt die Begründung moralisierend und der Leser fragt sich unwillkürlich: Warum sollte sie, wenn die objektiven Machtverhältnisse doch eindeutig für sie sprachen!

Dennoch ist dem Autor – wie im Untertitel angekündigt – eine wirkliche „politische Biographie“ Armin Mohlers und mithin ein Standardwerk gelungen.

Karlheinz Weißmann: Armin Mohler. Eine politische Biographie. Edition Antaios, Schnellroda 2011, gebunden, 320 Seiten, Abbilddungen, 22 Euro

Foto: Armin Mohler, Gemälde von Hugo Weber 1940; Titel des Bestsellers „Der Nasenring“ von 1989: Mit Kunst und Kultur, Nation und Geschichte gegen die durchrationalisierte Welt

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