© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/11 / 12. August 2011

Euro-Rettung
Mit der Null jonglieren
Rolf Dressler

Zum Gelde drängt, am Gelde hängt doch alles – man braucht die Lebenserkenntnis Johann Wolfgang von Goethes nur in einem Buchstaben zu ändern, von „o“ in „Gold“ zu „e“ in „Geld“, und schon kommt einem Griechenland in den Sinn. Auch Irland und Portugal. Und morgen womöglich Italien, Frankreich.

„Eine Null ist ein Nichts, das sich seiner Unentbehrlichkeit bewußt ist“ – man könnte denken, der virtuose Satiriker Gabriel Laub habe diese schelmische Bemerkung in ahnungsvoller Voraussicht geradewegs auf die grotesken Geldgottspieler unserer Tage gemünzt. Denn in die gegenwärtige wirre Landschaft paßt zielgenau auch Gabriel Laubs doppeldeutiger Befund: „Wer nur eine Eins ist, aber unbedingt mehr sein will, muß möglichst viele Nullen hinter sich haben.“ Was gleichermaßen sowohl für mathematisch-nüchterne Ziffern- und Zahlenakrobatik als auch für das Führungspersonal in Politik und Bankenwesen gelten kann. 110 Milliarden umfaßte das Griechenland-Kreditpaket Nummer 1. Als es praktisch ohne Wirkung verpuffte, wurden als Paket Nummer 2 ruckzuck 120 Milliarden nachgelegt.

Zusammen mit dem 750 Milliarden schweren Extra-„Krisenfonds“ summiert sich diese geballte Harakiri-Veranstaltung also schon jetzt auf sagenhafte 1.000 Milliarden Euro auf der nach oben offenen Panikaktionsskala der herrschenden politischen Klasse. In Wahrheit ist der unsortiert hilflose Rettungsversuch eine lupenreine Staatskonkursverschleppung. 1.000 Milliarden – das ist eine Billion, eine Eins mit zwölf Nullen. Was für ein magisches Treiben! Gabriel Laub läßt grüßen. Noch immer beschwören Sonntagsredner aller Parteifärbungen, „wir“ dürften die Existenz unserer Kinder und Kindeskinder keinesfalls leichtfertig „verfrühstücken“.

Diese penetrante Phrasendrescherei müßte spätestens jetzt ein Ende haben, angesichts des halsbrecherischen Hantierens mit Nullen, die freischwebend gehandelt werden. Doch zu verlockend erscheint es den Politikbetreibern, gerade mit der Null zu jonglieren und zu manipulieren. Mit eben jener kleinsten geraden Zahlengröße, die in der Sprache der Hindus seit alters her, seit gut eineinhalb Jahrtausenden schon, nicht von ungefähr „shunya“ heißt: die Leere, das Nichts. Dennoch sind 1.000 Euro-Milliarden alles andere als ein Pappenstiel.

 

Rolf Dressler war langjähriger Chefredakteur beim „West­falen-Blatt“ in Bielefeld und ist nun freier Journalist.

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